Michael Buchinger (21) bekommt regelmäßig Liebesbriefe. Entweder von alten Männern, die sehr detailgetreu beschreiben, was sie alles mit ihm anstellen möchten oder von Teenager-Mädchen. Die weiblichen Fans sind unschuldiger: Begegnen sie ihm auf der Straße, fragen sie höflich nach einem Foto und bei seinen Fan-Flohmärkten wundert sich selbst Michaels Mutter über die vielen gesitteten, gepflegten Mädchen, die hoffentlich nicht immer alle seine Witze verstehen.
Michael Buchingers YouTube Channel hat fast 22.000 Abonnenten, auf Facebook folgen ihm über 18.000 User und sein erfolgreichstes Video wurde 1.177.224 Mal angeklickt. Trotzdem kennt ihn außerhalb der Blogger/Vlogger-Szene kaum wer und mehr als ein nettes Taschengeld schaut auch nicht dabei heraus. Warum er noch nicht im Fernsehen ist? Es hat nie wer gefragt. Doch einmal, da sollte er bei einem Video-Casting mitmachen. Auf sein eingesendetes Video hat er nie eine Antwort bekommen. Vermutlich war’s zu skurril oder einfach zu lustig, denn das, was Michael Woche für Woche vor der Kamera produziert passt nicht ins österreichische TV-Konzept zwischen „Was gibt es Neues?“ und „Wien Tag und Nacht“.
Michaels Videos sind ein bisschen wie süßes Popcorn, wenn man salziges erwartet. Die ersten Bissen sind seltsam und man fragt sich „Was zum Teufel redet der da?“. Doch nach und nach schmeckt es immer besser, man klickt sich von Video zu Video und merkt nicht, wie der halbe Tag vergangen ist.
Mit 16 Jahren fing Michael an mit der Kamera seines Vaters seine Sketche zu filmen, hüpfte ziemlich überdreht hin und her und kämpfte gegen seine Schüchternheit. Seine Eltern haben erst später erfahren, was Michael im Internet so treibt. Natürlich sind ihm viele der früheren Videos peinlich. Inzwischen sind es 153, er hat den Stimmbruch vollständig überwunden und auch das mit der Schüchternheit ist viel besser geworden. Vielleicht liegt es am Wein, an der eigenen Wohnung in Wien oder an den vielen Fans, die unter jedem seiner Videos posten, wie mega-gut sie ihnen gefallen. Sie lieben es, wenn er ihre Fragen in einem der nächsten Videos beantwortet, absurde Gerichte kocht, wie „Hanfsamen Kekse" vor Weihnachten oder „Vegane Muffins", die weder ihm noch seinen Freunden schmecken. Am meisten aber lieben sie die monatlichen Hasslisten. Damit am Ende genügend Hassenswertes zusammenkommt, tippt Michael ständig in seinem Handy herum. Er kann sich einfach nichts merken, vor allem nicht die Dinge, die er hasst. Denn eigentlich ist Michael ziemlich liebeswert.
Ins Fernsehen will er gar nicht unbedingt, da wäre er zu aufgeregt (sagt der Typ, dessen Videos über eine Millionen Menschen gesehen haben), vielleicht lieber Print-Journalismus, da muss man sich nicht schön anziehen und kann entspannt im Bett bleiben. Auf seinem Blog übt er schon mal, schreibt vier Mal im Jahr eine Kolumne fürs Faux Fox Magazin und nach seinem Englisch-Studium will er vielleicht auf die Journalismus FH. Aber mal sehen, wo ihn YouTube noch hinbringt.
Steckbrief
Das Beste an Wien ist die Kaffeehauskultur.
Das Nervigste an Wien sind die Werber auf der Mariahilfer Straße.
Mein Lieblingsort in Wien ist kleine Platz in der Sternstraße vor der Bücherei Shakespears & Company. Mitten in der Stadt und trotzdem ganz ruhig und ohne Touristen.
Mein Lieblingslokal Cafe Korb. Die haben den besten Apfelstrudel Wiens.
Mein Wiener Lieblingsdesigner Schirach+Rosenthal.
Mein Lieblingshop Sax & Co.
Mein Lieblingsclub ist der Club U.
Mein YouTuber-Vorbild ist Grace Helbig. Die macht jeden Tag ein Video und ist einfach eine sehr witzige Person.
Foto: Michael Buchinger