LORENZI in der Siebensterngasse

 

Bortolotti, Zanoni und Lorenzi

Italienische Geschäftsnamen verbindet man in Wien vor allem mit der Zunft der Eismacher. Doch ursprünglich waren unsere südlichen Nachbarn, nicht nur für ihre süße Verführungen bekannt, sondern auch für den Handel und die Reparatur von Haushaltsgegenständen. Noch heute zeugt davon der etwas spöttische Spitzname "Katzelmacher" der sich von "Kesselmacher" oder nach einer anderen Theorie, vom spätlateinischen Wort für Schöpflöffel, ableitet. Doch nicht nur in unserer Sprache sondern auch im tatsächlichen Geschäftsleben hat sich die Verbindung gehalten: In sechster Generation betreibt Andreas Lorenzi sein Stahlwarengeschäft mitten in Wien Neubau. Vor 10 Jahren übernahm er das Geschäft von seiner Mutter Elvira, die anno dazumal ihre internationale Opernkarriere zu Gunsten des Familienunternehmens und ihres kleinen Sohns aufgab.

Vom Tal der Schleifer in die Welt

Andreas Lorenzi hat neben einer ausgeprägten Ader für Messer aller Art, die den Kern seines Sortiments bilden, auch eine Leidenschaft für die Ahnenforschung. Über der Tür des kabinettgroßen Verkaufsraums in der Siebensterngasse hängt ein Stammbaum der Lorenzis, auf dem alle Zweige rot angemalt sind, die jemals im Stahlwaren-Business tätig waren. Und das sind ziemlich viele. Ursprünglich aus dem Val Rendena im Trentino, dem "Tal der Schleifer" stammend, verschlug es die findigen Geschäftsleute bis ins ferne Amerika. Dort fiel allerdings das "i" dem englischen Zungenschlag zum Opfer - aus Lorenzi wurde Lorenz. Bis heute haben die Lorenzis losen Kontakt zueinander. Und noch immer gibt es an die zwanzig Geschäft die unter diesem Namen Handel mit Haushaltsgegenständen betreiben. 

 

Der "Wiener Lorenzi" hat sich zu einem Hotspot für Messer-Aficionados entwickelt: In wunderschönen Glaskästen hängen Klinge an Klinge die feinsten Schneidewerkzeuge aus der ganzen Welt. Eine ganz eigene Aura umgibt die Messer aus Japan: Die Asiaten stellen bis heute die allerhöchsten Ansprüche an Material und Verarbeitung der oft komplett handgeschmiedeten Eisen, die noch dazu ziemlich schick aussehen. Zu jedem Stück im Geschäft können die äußerst engagierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Geschichte erzählen. Für jemanden, der sich noch nie mit dem täglich benützen Alltagsgegenstand beschäftigt hat, tut sich ein riesengroßer Kosmos auf: Es gibt Fachmessen für Messer, Messer-Magazine, Messer-Treffen. Oft schaut ein Kunde daher auch nur vorbei, um mit Mitarbeiter Konrad Köchler ein bisschen über die Neuigkeiten aus der Messerwelt zu fachsimplen. Wenn man Glück hat, kann man auch den Chef im benachbarten Café Nil antreffen. In seinem Ersatz-Büro lässt er bei einer Tasse Tee an seiner enzyklopädischen Fachkenntnis teilhaben.

Achtung, Made in Germany!

Stichprobe des auf diesem gemütlichen Wege neu erworbenen Klingen-Wissens? Bitte sehr: Die europäischen Zentren der Schmiedekunst befinden sich seit Jahrhunderten unter anderem in Sheffield, Toledo und Solingen. Zwischen den einzelnen Manufakturen herrschte einst harter Wettbewerb. Und so war das Siegel "Made in Germany" ursprünglich ein Handelshemmnis der englischen Messermacher um den Konsumenten vor der "deutschen Billigware" zu warnen. Doch die Deutschen drehten den Spieß um und machten es zu einem Siegel für allerhöchste Qualität. Dass dieser über lange Zeit hart erkämpfte Ruf mittlerweile für allerlei Schund vom Fließband herhalten muss, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Fast ausgestorben

Das zweite Standbein neben dem Handel von Klingen aller Art ist der Schleifservice. In der Werkstatt im dritten Bezirk kümmert sich ein Mitarbeiter gemeinsam mit Andreas Lorenzi, der auch gerne selbst hinterm Schleifstein steht, um den perfekten Schliff von Scheren, Messern und Rasierklingen. Besondere Ausbildung braucht es dafür keine. "Messerschmied" ist seit vielen Jahren ein freies Gewerbe, denn der Beruf war einige Zeit kurz davor auszusterben. Doch davon kann jetzt keine Rede sein, wenn man den Kundenfluss beobachtet, der tagtäglich in das "Schmuckkästchen" der Lorenzis strömt: Vom Studenten der sein am Flohmarkt erworbenes Hornmesser auf Vordermann bringen lässt, bis zum Haubenkoch der sein Messerset im Wert eines Kleinwagens warten lässt, ist alles dabei. Und ab und zu kommt sogar ein Gegenstand in die Werkstatt, den schon ein Urahn in den Händen hielt. Wie zuletzt eine Geflügelschere aus den 30er Jahren die vermutlich bei Urgroßvater Zeno Lorenzi über den Ladentisch ging und die schon wieder voll funktionstüchtig im Einsatz ist. Schließlich geht es bei jedem Stück um die Familienehre. Und das schon seit 180 Jahren.

 

Faktenblatt

Gründungsjahr: 1835

Mitarbeiter: 3

Ein Kindheitstraum, den ihr euch jetzt selbst erfüllen könnt: Ein mannshohes Ritterschwert

Darf in keiner Hosentasche fehlen: Ein Jausen-Klappmesser des französischen Traditionsbetriebs Opinel, ab 8€

Bei der nächsten WG-Budgetsitzung verhandeln: Endlich einmal alle Messer schleifen lassen, ab 8,50€ pro Stück

Für den Messer-Romantiker: Ein fingernagelgroßes Klappmesser in einer ausgehöhlten Haselnuss

 

Hier findest den den ersten Teil unserer Serie: Das Grandia in der Josefstadt.

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