Gestern lief ein unglaublich guter Film bei der Viennale von dem ich einfach berichten muss: "Das merkwürdige Kätzchen" von Ramon Zürcher.


Die Handlung ist schnell erzählt und auf den ersten Blick unspektakulär: Eine Familie bereitet sich auf ein Abendessen in den eigenen vier Wänden vor. Es wird eingekauft, die Großmutter vom Bahnhof abgeholt, die Waschmaschine repariert. Das ist es im Wesentlichen. Doch was Regisseur Ramon Zürcher aus dieser kargen Rahmenhandlung macht, ist an Komplexität kaum zu überbieten: Jede einzelne Bildeinstellung folgt einem subtilen farblichen und formsprachlichen Muster, das sich dem Betrachter erst nach und nach erschließt und das Tragegerüst für die feinen Handlungsstränge bildet. Bis ins Allerletzte sind die Szenen durchkomponiert.

Ein Nachbarsjunge etwa der mit der jüngsten Tochter Clara befreundet ist trägt einen Pulli mit Karomuster. In jeder der drei Szenen in denen der Bub vorkommt korreliert der Hintergrund mit diesem Pulli. Alt-Bau-Tür, Weinregal, Steinboden - es ist kein Zufall, alle nehmen die Rautenform in irgendeiner Weise auf. Wie das Werk eines Autisten lässt das Zürchers Werk teilweise erscheinen: Die Tochter einer Freundin betritt mit einem roten blinkenden Fahrradlicht auf ihrem Cello-Koffer die Wohnung und trägt unter ihrer Jacke einen roten Pulli. Sobald Clara aber dieses Licht ausschaltet, zieht sich die junge Frau den Pulli aus, darunter kommt ein oranges T-Shirt zum Vorschein und man weiß: Jetzt muss etwas Oranges her. Zack - hat sie eine Mandarine in der Hand. Es geht einfach nicht anders. Diese zwingenden Ästethik zieht sich auch in die Beziehungen der Familie durch: Jedes Wort ist mit Bedacht gewählt, wenn jemand aus dem Schema ausschert, gibt es auch mal eine Ohrfeige und mitgelacht wird selten. Nur die merkwürdige rote Katze entzieht sich der allumfassenden Ordnung in Bild und Wort und schleicht unbehelligt vom einen ins andere Zimmer.

Trotz aller Strenge hat der Film auch seine komischen Momente und fad wird es sowieso nie in diesem "Horror-Film ohne Horror" (so der Regisseur beim Publikumsgespräch). Ganz beseelt habe ich den Saal verlassen. Ich hoffe also sehr für euch (und mich!), dass dieses kleine Meisterwerk es vielleicht doch noch in die heimischen Kinos abseits der Viennale schafft. Kleiner Trost bis dahin: der Trailer.

 

Header- und Einleitungsbild: Alexander Haßkerl

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