White Facing!
Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs von Milo Rau
Volx Volkstheater, Österreichische Erstaufführung, nur noch am 5. März 2019
Zwei Frauen, die wissen, wie sich ein Maschinengewehr anhört. Die eine musste zusehen, wie ihre Eltern damit erschossen wurden. Die andere erlebte als Entwicklungshelferin im Kongo einen mörderischen Überfall. Die eine stammt aus Zentralafrika und wurde in Europa adoptiert. Die andere bezeichnet sich als nordisch und wurde Schauspielerin. Das Stück ist ein Doppel-Monolog. Genau genommen aber eigentlich nur ein Monolog. Denn beide Rollen werden von Anja Herden gespielt. In weißer und schwarzer Hautfarbe, dank White Facing! Eine Weltpremiere?
Milo Rau ist zugleich Theatermacher und Aktivist. Seine engagierte Theaterkunst befasst sich mit Anders Breivik, europäischen Bürgerkriegen und dem Völkermord in Ruanda. Wie fast alle Stücke Milo Raus konstruiert sich auch dieses vor allem aus dokumentarischem Material und Interviews mit Akteuren. Mit Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs wird eines der aufsehenerregendsten politischen Theaterstücke der letzten Jahre nachgespielt.
Fotorechte: Anja Herden © Alexi Pelekanos / Volkstheater
On Fire!
Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch
Volkstheater, 3./7./10./12./13. März
In der Innenstadt finden sich aktuell ein ausgebranntes Autowrack, ein abgefackelter Flügel, ein angesengtes Sofa. Vandalismus? In Wien? Kaum. Wir vertrauen darauf, dass diese verkohlten Objekte einen anderen Hintergrund haben. Und tatsächlich: Es handelt sich dabei um eine Kunstaktion, die für das neue Stück Biedermann und die Brandstifter im Volkstheater wirbt. Wie wir, setzt auch der Protagonist Gottlieb Biedermann auf Vertrauen. Ein bisschen mehr Vertrauen auf der Welt, das kann doch nicht so schwer sein, Herrgottnochmal! Doch das gutmütige Vertrauen des Protagonisten grenzt an absichtlicher Blindheit gegenüber einer sich anbahnenden Gefahr und deren grausamen Folgen: Obwohl Brandstiftungen allgegenwärtig sind, glaubt Biedermann sich sicher und nimmt zwei fragwürdige Gestalten in sein Haus auf. Schmitz und Eisenring geben sich als Obdachlose aus, lagern fässerweise Benzin auf dem Dachboden und fackeln letztlich die Villen ihrer Opfer ab. Und Biedermann gibt ihnen die Streichhölzer dazu.
Damals wie heute, ist hinschauen immer noch alles. Macht doch mal die Augen auf, Herrgottnochmal!
Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch / Regie Viktor Bodó Günter Franzmeier, Nils Hohenhövel, Thomas Frank Fotorechte: © www.lupispuma.com / Volkstheater
Overkill!
Beben von Maria Milisavljevic
Vestibül, 7./8./13./24. März
Hat sich da jemand wieder zu viel Gesellschaftskritik vorgenommen oder gehört die Überforderung zum Konzept? Irgendwie kommt man da ja gar nicht mit. Hä? Was? Wie? Selfie! Digitalisierung und konstante Reizüberflutung führen dazu, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne sich zunehmend der eines Goldfisches annähert. Wie unser Alltag ist auch Beben ein medialer Overkill aus Katastrophenmeldungen, Werbung und sozialen Medien. Man bleibt selten lang beim gleichen Thema. Auch wenn die Figuren vorwiegend hinter Glasscheiben erscheinen und das Publikum episodenweise in ihr tiefstes Innenleben einweihen, bleiben sie doch alle ohne Namen und irgendwie ungreifbar. Es ist ein Spiel zwischen Intimität und Distanz. Es geht um FOMO, Revolution, Neon, Krieg und Apokalypse. Die eine hat ihren Sohn verloren, der andere will nur noch das Level fertigspielen.
Es geht um Moral und Hipsterbärte. Ganz schön viel auf einmal, aber irgendwie erkennt man sich eben doch wieder. Und die schwarz-weissen Marmorfliessen im Vestibül sind auch ganz schön.
Fotorechte:(c) Beben von Marija Milisavljevic, Reinhard Werne/Burgtheater
Vorstadtweib!
Vier Stern Stunden von Daniel Glattauer
Kammerspiele der Josefstadt, bis 31. März 2019
Statt zuhause zu netflixen, könnte man ja auch mal ins Theater. Und dieses Stück ist auch gar nicht so weit weg von Netflix. Martina Ebm aus Vorstadtweiber spielt nämlich eine junge Bloggerin, die mit ihrem viel älteren Freund, immerhin ein berühmter Schriftsteller, in einem heruntergekommenen Hotel absteigt. Aber eigentlich ist ihr das alles zu anstrengend. Er will Romantik, sie will Sex. Auch der Altersunterschied lässt sich nicht mehr schönreden. Also nimmt sie stattdessen den feschen Hotelier ins Visier.
Das hört sich jetzt alles sehr Caroline Melzer aus Vorstadtweiber an. Aber Daniel Glattauer bietet einem mit Vier Stern Stunden dann doch mehr Tiefsinn als Netflix. Denn das oben Beschriebene ist nur einer von vielen Erzählsträngen. Und dialogstark ist es auch – wie immer bei Glattauer.
Muslim Love
The Who and the What von Ayad Akhtar
Akademietheater, 9./11./24. März 2019
Eine liberale muslimische Familie. Die Mutter bereits verstorben, bleiben noch ein Vater und zwei Töchter. Die Töchter repräsentieren zwei unterschiedliche Lebensentwürfe. Im Bemühen ihre Jungfräulichkeit bis zur Hochzeitsnacht zu bewahren, lässt sich die eine von ihrem Freund von hinten koitieren. Die andere interessiert sich nur für ihr kritisches Buch über den Propheten Mohammed, einen Freund hatte sie schon lange nicht mehr. Das will ihr Vater ändern. Er meldet sich auf der Plattform muslimlove.com an und sucht heimlich nach einem geeigneten Mann für seine Tochter. Diesen findet er dann auch und es kommt zur Heirat. Alles scheint heil, und doch kommt es zur Wende: Als nämlich dem Vater das Manuskript seiner Tochter in die Hände gerät, kommt es zum Eklat. Was für sie eine kritische Auseinandersetzung ist, ist für ihn die pure Blasphemie.
Ayad Akhtar verhandelt in The Who and The What die Rolle der Frau in der islamischen Gesellschaft. Und das ist aufschlussreich und urkomisch.
Foto (c): Reinhard Werner/Burgtheater
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