Gerald Hoffmann veröffentlichte seinen ersten Track mit 16 und bewegt sich seitdem als „Gerard“ in der deutschsprachigen Rapper Szene. Wir haben mit dem Oberösterreicher über sein aktuelles Album „Neue Welt“, den Amadeus Award und Wien gesprochen.

 

Goodnight.at: Das aktuelle Album „Neue Welt“ ist seit Spätsommer 2015 am Markt. Wie ist die Resonanz? Würdest du jetzt alles anders machen?

Gerard: Ich würde nicht so viel anders machen, aber ein paar Dinge bestimmt. Als das Album rauskam, war eigentlich nicht die passende Zeit dafür. Es geht darum, wie man seine Leidenschaft zum Beruf macht und positiv bleibt, und wie die ganze Flüchtlingsthematik aufgekommen ist, bin ich mir teilweise selbst blöd vorgekommen. Ich saß in Berlin in einem Taxi und hörte im Radio, dass in Österreich 70 tote Flüchtlinge in einem LKW gefunden worden waren. Eine Stunde später musste ich bei einem Interview zum Album über, in dem Moment, so völlig Irrelevantes reden. Es war also ein bisschen schade, dass es vom gesellschaftlichen State of mind nicht so reingepasst hat. Außerdem habe ich die Leute dieses Mal glaube ich etwas zu viel verwirrt. Aber im Allgemeinen ist es gut angekommen. Ich glaube, dass das ein Album ist, das man auch Jahre später wiederentdecken kann, weil es immer aktuell ist. Im Nachhinein gesehen, war es für die Zeit, wo es erschienen ist, einfach zu harmlos. Ich wollte eigentlich eins draufsetzen auf das vorige Album „Blausicht“ und im Endeffekt sind wir am selben Level geblieben.

Albumcover "Neue Welt"

 

Deine Texte sind im neuen Album nicht mehr so persönlich. Wolltest du es allgemeiner halten, zeitloser?

Ja, ich wollte einfach etwas Anderes machen. Ich bin ein Fan von Künstlern, die sich öfter mal neu finden, überraschen und Abwechslung bringen. Ich wollte etwas Neues. Das Nächste wird sicher wieder um einiges persönlicher. 

Sind alle Geschichten und Anekdoten in den Songs so passiert? Wie viel ist erfunden? 

Es ist eine Mischung. Es ist nicht jede Geschichte mir passiert, teils auch meinen Freunden. Ich baue sicher für das Gesamtbild Dinge ein. Ein Beispiel: Im Lied „Gelb“ kommt vor, dass ich den Satz „Freu dich nicht zu spät“ auf eine Mauer gesprayed gesehen habe. Das stimmt auch so, allerdings habe ich im Text noch einen alten Mann davor gesetzt um die Bedeutung mehr hervorzuheben. 

Wo nimmst du deine Inspiration für die Texte her?

Vom Leben. Nach Blausicht hatte ich Angst, dass mir nichts mehr einfällt. Da hat eine Freundin zu mir gesagt: „Menschen, die Geschichten erzählen können, erleben auch Geschichten.“ Ich erlebe ja auch nicht mehr, als einer, der keine Musik macht, aber ich bin aufmerksamer für Anekdoten. Wenn mir wer was erzählt, höre ich doppelt so gut zu.

Geht es in „Neue Welt“ um die Zukunft?

Das Album setzt sich eher mit unserer Rolle in der ganzen Zeitgeschichte auseinander. Es geht also auch um die Generation vor uns, aber auch wo sich alles hin entwickelt. Das wird etwa im Song „Licht“ deutlich, wo ich einen Dialog mit meinem verstorbenen Opa führe. Es hat aber alles einen sehr positiven, optimistischen Charakter gehabt, was eben überhaupt nicht zu der apokalyptischen Endzeit-Stimmung im Sommer gepasst hat. Man hatte eher Angst, dass sich die Welt traurigerweise nach hinten entwickelt. Die Twitter Postings zu #neuewelt sind immer eher negativ. 

Mackes rappt in „Gelb“ die Zeile „Man muss sich Träume sehr gut merken, weil's sonst sein kann, dass man sie nicht mehr erkennt, während man sie schon längst erreicht hat“. Kommst du dazu, zu sehen, was du schon erreicht hast?

Auf jeden Fall. Es ist zwar immer zu wenig, aber ich weiß das alles auf jeden Fall zu schätzen. Ich mache schon lange Musik und viele Jahre hat es niemanden interessiert. Man will immer mehr und es gibt überall noch Luft nach oben. Ich will mich immer steigern, der Traum ist noch nicht ganz erreicht. Diese Vision zieht sich noch lange weiter, aber das ist auch gut so.

 

Du bist beim Amadeus Music Award in den Kategorien Urban/HipHop und beim FM4 Award nominiert. Glückwunsch! 

Ja, danke! Das freut mich natürlich total. Es ist toll, was viele Leute da auf die Beine stellen, allerdings gebe ich da nicht viel darauf. Wäre cool, wenn ich ihn bekomme, aber ich bin auch nicht traurig wenn nicht. Mir sind die Voting-Aufrufe immer ein bisschen unangenehm. Ich fühle mich geschmeichelter wenn ein WUK voll ist, als wenn ich einen Amadeus bekomme.

Ich fühle mich geschmeichelter wenn ein WUK voll ist, als wenn ich einen Amadeus bekomme.

Dame, Ansa, Crack Ignaz und Skero sind ebenfalls in der Kategorie Urban/HipHop nominiert. Wem gönnst du den Sieg?

Jeder der Künstler hätte den Preis verdient.

Hier geht’s zum Voting! 

Welche österreichischen Künstler bewunderst du? Hast du Vorbilder?

Viele! „Vorbild“ wäre vielleicht zu hoch gegriffen, aber man vergleich sich mit allen auf freundschaftlicher Ebene. Ich finde viele Dinge cool, die andere machen und so pusht man sich gegenseitig und fordert sich heraus. Ich bin sehr selbstreflektiert und wenn ich sehe, dass es bei wem anderen besser ist, heißt das ich muss was verändern. Ich bewundere jeden österreichischen Act, der es zustande bringt eine Tour zu machen, ein Album aufzunehmen usw. Ich bewundere jeden, auch wenn es nicht immer mein Geschmack ist, weil ich weiß, wieviel Arbeit da dahintersteckt und wie schwierig das ist.

Wie wird das neue Album? Arbeitest du schon daran?

Ja, ich möchte wieder was Anderes machen und dazu muss ich Leute finden, die mit mir das dann auch umsetzen. Das ist eine spannende Phase. Wenn ich das, was ich im Kopf hab, gut umsetzen kann, wird’s richtig cool und da freu ich mich schon darauf. Ich stelle mir fragile Töne vor, die doch mächtig sind. „Neue Welt“ war manchmal ein bisschen zu harmlos, es wird moderner und persönlicher. Von der Farbe her, stell ich mir das eher blass vor.

Foto: Neue Welt Tour (c) Kidizin Sane

 

Gerard über Wien

Lieblingslokal in Wien

Schwer zu sagen, MQ, viel im Siebten, Yppenplatz, Naschmarkt oder einfach ein Beisl, das grad in der Nähe ist.

Lieblingsclub

Je nachdem, wer gerade wo auflegt, meistens Café Leopold, Grelle Forelle, Konzerte im WUK oder in der Arena, früher Pratersauna.

Das Schönste an Wien

Es ist eine Weltstadt und hat trotzdem Dorfcharakter. Man ist überall schnell dort und trifft doch auch immer Menschen, die man kennt und gern hat, vor allem in der Künstlerszene.

Das Schirchste an Wien

Das Nörgelnde und Unfreundliche. In anderen Städten sind die Menschen einfach netter, also Kellner, Taxifahrer usw. Aber durch viele Zugereiste wird das besser find ich. So raunzende Ur-Wiener haben auch ihren Charme, aber zu viel ist nervig und bringt keinen weiter.

 

Im Gespräch mit Gerald Hoffmann im Liebling.

 

Headerbild: (c) Kidizin Sane

 

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