Wenn jeden Monat über zehn neue Lokale in den Wiener Innenstadtbezirken eröffnen, ist es ganz logisch, dass andere schließen (müssen). Dafür muss man nicht Mathematik studiert haben. 

Manchmal sind es alte Tschocherl, denen nach 40 Betriebsjahren der Gastwirt oder die Gäste wegsterben. Meistens kommt beides zusammen. Manchmal ist es der Buffet-Chinese, bei dem man schon immer dachte, es müsse sich um Geldwäsche handeln. Häufig ist es ein frisch eröffnetes Lokal, das es nicht über die ersten drei Monate schafft.

Von diesen Lokalen liest man nicht in der Zeitung, sie feiern nur selten Abschiedspartys, sondern verschwinden heimlich still und leise, bis an Ort und Stelle ein neues Lokal mit großem Tamtam eröffnet und man sich auf der Opening-Party verwundert fragt: „Was war hier eigentlich früher?“

Ein wenig Wehmut ist immer dabei, selbst dann, wenn etwas Neues, vielleicht sogar Besseres entsteht, doch einige Lokale betrauern wir mehr als andere:

 

Transporter

Kettenbrückengasse 1, 1050 Wien

Was haben wir für legendäre Partys in dieser herrlich abgerockten, verrauchten Bar gefeiert, die viel zu oft letzter Anlaufpunkt eines Abends war und immer wieder für Überraschungen sorgte: „Wo kommen nur all diese Menschen her und wieso müssen die morgen nicht arbeiten?“ Ah ja, alles Künstler. Die größte davon, war die überraschende Schließung Ende 2016. Und obwohl hier nun vor kurzem mit der Pizzeria Randale ein cooles Lokalkonzept zwischen Club, Bar und Pizzeria eröffnete, verdrücken wir nicht nur beim Besuch der neuen, schick renovierten Toiletten einige Tränen: „Where have all the Pickerls gone?“

Was wir vermissen werden: Legendäre Partys und Pickerl am Klo.

Was wir daraus lernen: Support your favorite Beisl!

 

Radlager

Operngasse 28, 1040 Wien

Vintage-Rennräder sind eine coole Deko und drum eröffneten seit 2010 immer mehr Velocafés in Europa. Das Radlager war eines der besonders stylishen Sorte mit italienischem Espresso, hervorragendem Kuchen, schickem Design und guter Lage. Nun ist der Trend offensichtlich vorbei – was wir einfach nur schade finden.

Was wir vermissen werden: Mit einem Kaffee am Fenster sitzen und TUler beobachten.

Was wir daraus lernen: Selbst das coolste Konzept hält nicht ewig.

 

Süssi Salon de Thé

Operngasse 30, 1040 Wien

Vielleicht lags aber auch am Standort, der gar nicht so gut ist, wie gedacht. Denn auch das Süssi gleich nebenan musste schließen. Das vielleicht sweeteste Lokal der Stadt ist nun Geschichte. Mit einer Vitrine voll französischer Tartes, einem ganzen Regal voller Teespezialitäten und einem Innendesign wie aus der Jahrhundertwende-Puppenstube, war es absolut einzigartig. 

Was wir vermissen werden: Tarte au Chocolat unter Kaiser Franz Josef.

Was wir hoffen: Vielleicht sperrt es im ersten Bezirk wieder auf. 

 

Die Liebe in der Marktwirtschaft

Siebensterngasse 21, 1070 Wien

Bei der Schließung der Marktwirtschaft hatten mit Sicherheit mehrere Stammgäste Liebeskummer. Gutes Essen, zwanglose Atmosphäre, tolles Frühstück und ein schöner Innenhofgarten – zuletzt sogar ausgezeichnet mit einer Haube – hier hat sehr viel gepasst. Doch das Ambiente am Abend in der geschlossenen Verkaufshalle erinnerte immer ein wenig daran, nach Ladenschluss im Supermarkt gefangen zu sein. Romantisch war nur der Name. Trotzdem sehr schade, dass das Markt-Konzept nicht einmal im 7. Bezirk funktioniert hat. 

Was wir vermissen werden: Tapas im Innenhofgarten.

Was wir daraus lernen: Liebe ohne Romantik hält nicht lange.

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