Der Herbst ist wohl die Jahreszeit, die sich am allerbesten für ausgedehnte Spaziergänge anbietet. Man kann die Gedanken schweifen lassen. Bäume und Laub in allerlei bunten Farben an sich vorüberziehen sehen. Sich Zeit nehmen, um den vergangenen Monaten nachzusinnen. Und womöglich sogar wieder etwas mehr zu sich selbst finden. Ja, vielleicht lässt sich sagen, der Herbst ist wie ein Innehalten – zwischen der Ausgelassenheit des Sommers und der noch bevorstehenden kräftezerrenden Kälte der Wintermonate.

Wir haben einen Soundtrack zusammengestellt, der sich genau an diese besondere Stimmung im Jahr anpasst und euch in der kommenden Zeit wie ein warmer Mantel umhüllen soll. Mit von der Partie sind altbekannte Klassiker, aktuelle Werke sowie auch der ein oder andere Geheimtipp. Da wir ein Wiener Magazin sind, haben wir uns hier allerdings ausschließlich auf Wiener Künstler*innen beschränkt. Sorry, Bon-Iver-Fanboys und -girls.

 

Oehl – „Ruh“ (2022)

Graue Wolken haben’s uns angetan. Und das schon im Jahr 2020, als das damalige Duo Oehl mit seinem Debütalbum „Über Nacht“ (nicht nur) die österreichische Musiklandschaft aufmischte. 
Mittlerweile ist das Gründungsmitglied Hjörtur Hjörleifsson aus dem Projekt ausgestiegen, doch an Qualität hat die Musik dadurch keineswegs eingebüßt. Im Gegenteil, das unlängst erschienene Album „Keine Blumen“ vereint wieder all die wunderbaren Kontraste, für die wir Oehl so zu lieben gelernt haben: eine tanzbare Poppigkeit gepaart mit einem melancholischen Grundton sowie durchweg düstere Themen, die aber nie an Hoffnung missen lassen. 
„Ruh“ ist dabei sicherlich eines der tiefschürfendsten Stücke der Platte. So erzählt der Song von Ari Oehls 95-jähriger Großmutter. Doch eigentlich noch viel mehr von der Endlichkeit des Lebens. Dabei kommen wie gewohnt tolle Sprachbilder zum Tragen – wie etwa die von wertvollen Bodenschätzen, nasser Wäsche und ungetragenen Zweiteilern.

 

Rika – „October“ (2013)

Im Song „October“ der Band Rika wird sogar ganz konkret die dem Herbst innewohnende Wehmütigkeit besungen. Dabei werden wir zunächst von einem sanften Gesang und einer feinen Instrumentierung durch das Lied getragen, bis das Ganze zum Ende hin in einem emotional eindringlichen Gitarrengewitter gipfelt – eine klangliche Dynamik, die an Bands aus den Neunzigern wie Mineral, Penfold oder Sunny Day Real Estate anknüpft.
Genauso bescheiden und unscheinbar wie sich Rika damals in der Öffentlichkeit bewegt haben, sind sie nun in den letzten Jahren leider auch wieder abgetaucht. Und fehlen dafür umso stärker in der heimischen Indie-/Emo-Musikszene.

 

Soap&Skin – „Safe With Me“ (2018)

Bei Anja Plaschg aka Soap&Skin dürfte es sich für viele von euch wohl um einen längst bekannten Namen handeln. Berühmt geworden ist die Künstlerin durch experimentelle Vermengungen aus etwa klassischer und elektronischer Musik sowie durch opulente Arrangements. In ihrer späteren Laufbahn brach sie ihren Sound dann vermehrt auf ein wärmeres und organischeres Grundgerüst herunter. In letztere Kategorie lässt sich auch der Song „Safe With Me“ einsortieren. Lediglich durch Klavier, Streicher und Plaschgs Gesang getragen, verharrt das Stück stets in seiner traurig-schönen und eleganten Tonalität und lädt umso mehr dazu ein, in den eigenen Gedanken zu schwelgen.

 

Pauls Jets – „Die Häuser schauen schief aus“ (2019)

Die noch junge Wiener Band Pauls Jets hat sich in ziemlich kurzer Zeit einen Namen im heimischen Musikbetrieb gemacht. Ihre Lieder handeln vom Betrunkensein, der Liebe und dem Betrunkensein vor Liebe. Sie sind angereichert mit Texten, die zwischen ziemlich schräg („Der Teufel steigt mit mir ins Bett. Er macht mein buntes Höschen wet“) und tiefgehend philosophisch („Ich lasse alles liegen und ziehe mich in mich selbst zurück, um dem Tod zu entrinnen, dessen erste Schatten mich gestreift haben“) hin und her schwanken. Manchmal offenbaren sie zudem einen direkten Bezug zu Wien, so wie auch bei dem vorliegenden, wundervoll träumerischen Song, wo es heißt: „Es fühlt sich an wie Sandstrand wie ich am Gürtel stehe“.

 

Mira Lu Kovacs, Clemens Wenger – „Kalt und kälter“ (2022)

Die vielseitig talentierte Mira Lu Kovacs ist nicht nur als Teil diverser erfolgreicher Musikprojekte (My Ugly Clementine, 5K HD, Schmieds Puls) aus der heimischen Szene nicht mehr wegzudenken, auch im Zuge ihrer Solo-Laufbahn hat sie mit „What Else Can Break“ eines der vielleicht schönsten Alben im Jahr 2021 hervorgebracht.
Ihr jüngster Output stellt das Stück „Kalt und kälter“ dar, eine Eigeninterpretation des gleichnamigen STS-Songs. Kovacs überträgt hier den Text ins Hochdeutsche und reduziert das Stück auf seinen schmerzhaften und traurigen Kern.

 

Clara Luzia – „Harvest Moon“ (2007)

Die Titel „Harvest Moon“ der altgedienten Singer-Songwriterin Clara Luzia hat auch nach fünfzehn Jahren nichts an seiner Wirkung verloren. Nach wie vor funktioniert er als betörend romantische Liebeserklärung. Aber da lassen wir am besten den Text des Songs für sich selbst sprechen: „And my love feels like a big fat river through the woods. Flowing quietly along. And the only purpose is to just flow and flow and flow“.

 

 

Wanda – „0043“ (2017)

Zuletzt waren Wanda ja vor allem durch überaus traurige Umstände in der medialen Berichterstattung präsent. Umso mehr sollten wir ihre Musik und die großen Emotionen, welche diese transportiert, feiern und in die Zukunft tragen. So auch die Ballade „0043“, die entgegen dem unverkennbaren und in vielen Stücken vorzufindenden Kratz- und Krächz-Gesang von Marco Wanda sehr zurückgenommen und zart daherkommt. 
Die Telefonvorwahl „0043“ wird hier zum Sinnbild für einen Sehnsuchtsort – das mag für einige der vergangene Sommer sein, der vielleicht etwas zu abrupt vorbeigegangen ist und für andere womöglich dieser eine besondere Adria-Urlaub mit den Eltern in der Kindheit.

 

Sophia Blenda – „BH“ (2022)

Feministisch, finster und lyrisch anspruchsvoll – mit diesen Attributen kann sich die vielerorts gefeierte Wiener Band CULK schmücken. Nun hat die Sängerin der Truppe unter dem Künstlernamen Sophia Blenda ihr Solo-Debüt vorgelegt, das zwar diesen Grundzutaten treu bleibt, jedoch nicht mehr viel mit dem mitunter recht Post-Punk-lastigen Sound von CULK zu tun hat. Viel eher wird die Aufmerksamkeit hier noch stärker auf Sophia Blendas Stimme und die wirklich kunstvollen Texte gelenkt. In der Single „BH“ singt sie etwa im weitesten Sinne über die Entmächtigung von Frauen und die in der Gesellschaft nach wie vor so stark verankerte Sexualisierung des weiblichen Körpers.

 

Lust auf mehr Herbst-Stimmung? Hier kommen Dinge, die du unbedingt im Oktober noch tun sollst!

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