Wien ist vielfältig und multikulturell. Vor allem Personen der ex-jugoslawischen Diaspora stehen in Österreich beim Thema Migrationshintergrund schon lange ganz oben auf den Ranglisten. Die Jugos (wie sie sich selbst gerne nennen) verbreiten in der facettenreichen Wiener Lokalszene somit auch schon seit einigen Jahrzehnten einen Teil ihrer Kultur. Ob die Ursache dafür nun die Sehnsucht nach der alten Heimat oder die Suche nach Gleichgesinnten war, Fakt ist: In Wien, besonders auf der Ottakringer Straße, sind die vielen Jugo-Lokale nicht mehr wegzudenken.

Fast wöchentlich kommen sogar Künstler aus den Balkanländern extra zu ihren Fans nach Österreich. Die Konzerte sind immer wieder ausverkauft. Für einen Großteil der jungen Wiener mit Balkan-Background gelten diese Lokale daher besonders an den Wochenenden als wichtige Hotspots.

 

Videodreh-Styling oder der alte Katzen-Pulli?

Nicht-Jugos besuchen die Clubs und Cafés zwar auch, aber natürlich wird das eher als Seltenheit betrachtet. Einige sind dieser Idee vielleicht aufgrund der Klischees über die Wiener Balkan-Community abgeneigt. Oft hört man Dinge wie „Dort laufen doch eh nur durchtrainierte Kerle mit Gucci-Hemden, grimmigen Blicken und teuren Autos oder hochnäsige Frauen mit zu langen Extentions und 20cm-Heels herum.“ Entspricht das der Realität? Naja. Es gibt auf jeden Fall Clubs bei denen sogar die Türsteher beim Styling 100% erwarten. Wer optisch nicht überzeugt, bleibt draußen oder erntet drinnen viele schiefe Blicke.

In dem Fall sollte man das Stoffsackerl und die schmutzigen alten Sportschuhe lieber daheim lassen. Es ist schon wahr, dass viele Balkan-Leute, vor allem beim Fortgehen, sehr auf das perfekte Styling bzw. den perfekten Auftritt achten. Es gibt jedoch auch genug Lokale, in denen die Gäste mit schlabbrigen alten Katzen-Pullis und messy hair gechillt alte Jugo-Rock Hits mitbrüllen und sich  absolut niemand vom "I don't give a shit"-Look gestört fühlt.

 

Turbo-Folk, Balkan-Rock'n'Roll und der Kampf um die Rechnung

Was du sonst noch erwarten kannst: Die Kellner werden dich auf BKS (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) ansprechen. Bleib cool, antworte trotzdem auf Deutsch. Sie werden dich natürlich verstehen, sich insgeheim aber trotzdem darüber wundern, dass du in einem Jugo-Lokal bist und die Sprache nicht verstehst (sorry, facts haha). Hier wird im Normalfall nämlich immer BKS gesprochen. In den meisten Locations wirst du Musik hören, die wie eine höchst bizarre Mischung aus Volksmusik, Pop und Techno klingt. Sag Hallo zur beliebtesten Musikrichtung am Balkan: Turbo-Folk.

In den gemütlicheren Pubs laufen meistens alte Ex-YU-Rock-Hits oder Herzschmerz-Balladen aus den 70er oder 80er Jahren. Eines haben die meisten Jugo-Lokale allerdings gemeinsam: Den erbitterte Kampf um die Rechnung, die jeder für seinen Freundeskreis übernehmen möchte. Natürlich könnte hier jeder Einzelne einfach sein eigenes Getränk bezahlen und gehen, aber „das macht man hier einfach nicht“. Oft sieht man wie sich Personen gegenseitig die Geldbörsen aus den Händen reißen, damit ja nicht der andere für einen selbst bezahlt. Die Sache mit der übertriebenen Großzügigkeit ist kein bloßes Klischee, sondern gehört tatsächlich zur Balkan-Mentalität und wird auch in Wien gerne ausgelebt.

Na, Bock bekommen in ein Jugo-Lokal zu gehen? Dann solltest die folgenden Locations abchecken:

 

CaféEx

Alser Straße 71, 1080 Wien

Das CaféEx gehört zu den klassischen Hotspots der Jugo-Szene in Wien. Zugegeben, es wirkt von außen nicht sehr einladend, ist innen aber doch ganz schick eingerichtet. Da es das Lokal schon lange gibt, findet man hier auch oft Personen der älteren Generation, anders als in den Clubs der Ottrakringer Straße. Getrunken und gefeiert wird hier vor allem mit Turbo-Folk und House.

 

Tesla Coffee & Concept

Mariahilfer Straße 147, 1150 Wien

Seit Ende Februar kann man sich in diesem Café mit stilvollem Ambiente tagsüber hausgemachten Kuchen und abends Tapas und alkoholische Getränke gönnen. Von Donnerstag bis Sonntag gibt es ab 20 Uhr sogar Balkan-Live-Musik. Eingerahmte Fotos und Wandmalereien von Nikola Tesla, nach dem das Lokal benannt wurde, scheinen die Gäste beim Plaudern und Trinken zu beobachten.

 

Café Bar LABY

Ottakringer Straße 80, 1170 Wien

Dieses Lokal auf der berühmt-berüchtigten Ottakringer Straße zählt zu den ältesten Balkan-Lokalen in Wien und ist somit gleichzeitig einer der beliebtesten Spots der ex-jugoslawischen Community. Tagsüber kann man hier entspannt seinen Kaffee genießen und abends kann man an der Bar Cocktails bestellen. An den Wochenenden wird im LABY ordentlich mit viel Turbo-Folk gefeiert. Auch hier gibt es immer wieder Live-Musik.

 

Beertija

Kaiserstraße 100, 1070 Wien

Das gemütliche Beertija ist ein Pub im 7. Bezirk. Hier wird, anders als in den meisten Jugo-Lokalen, kein Turbo-Folk gespielt, sondern alte Balkan-Hits aus den Genres Rock, Pop und Blues. Mehrmals pro Woche finden auf der kleinen Bühne mitreißende Live-Gigs von Nachwuchstalenten statt. Jugos lieben Live-Musik. Passend dazu findet man an der Wand auch das Zitat „Without music life would be a mistake“.

(Achtung: Zur Zeit wegen Renovierung geschlossen)

 

CREAM Lounge Club

Märzstraße 23, 1150 Wien

Das Cream steht womöglich an der Spitze der beliebtesten Wiener Balkan-Lokale. Unter der Woche kann man hier Shisha rauchen und Cocktails trinken. An den Wochenenden wird aus der entspannten Lounge der Trend-Club schlechthin. Daher ist das Cream am Wochenende sehr überfüllt. Die Location ist insgeheim auch für ihren Dresscode bekannt. Das Outfit sollte hier eher mehr fancy als sportlich sein. Musikalisch betrachtet ist der Club ziemlich vielfältig. Ob aktuelle Charts, Turbo-Folk (natürlich), House, US-Rap und sogar Deutschrap, hier ist für fast jeden etwas dabei.

 

Insider-Tipp:

Bei legendären Jugo-Hits laut mitzusingen ist ein wichtiger Bestandteil der Jugo-Lokal-Kultur. Einer der beliebtesten Songs des ehemaligen Jugoslawiens ist und bleibt „Đurđevdan“ von der Rock-Band Bijelo Dugme. Wenn du zumindest für ein paar Minuten so richtig dazu gehören willst, lern den Text! Sobald das Lied irgendwo abgespielt wird (und das passiert ziemlich oft) singt jeder aber wirklich JEDER lauthals mit und wirft die Hände dabei dramatisch in die Luft. Hier könnt ihr schon Mal üben, Enjoy!

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