Anlässlich der Ausstellung „Über Leben am Land“ im KUNST HAUS WIEN haben wir uns gefragt, wie es denn all den zugezogenen Landeier in Wien geht. Brauchen sie extra Sauerstoffmasken mit frischer Landluft in einem Raum mit Musikinstallationen von Kuh- und Kirchenglocken?
Wien. Nicht nur Zuhause des Suderns, der Melange und der feschen Lippizaner, sondern auch Wahlheimat zahlreicher Neo-Wienerinnen und Wiener. Viele der neu zugezogenen kommen oft aus ländlichen Gegenden, weil es in ihren 500 Seelen Heimatdörfern kein Artificial Intelligence oder Industrial Design Studium gibt. Voll bepackt mit Mamas Essen, Höflichkeit und Naivität ziehen sie nach Wien.
Wir haben vier ehemalige Landeier über ihre Metarmorphose zum Stadtkind befragt. Von Bergkäs über Gwand bis hin zum Zurückziehen.
Im KUNST HAUS WIEN ist bis zum 25.8. die Ausstellung „Über Leben am Land“ zu sehen. Künstlerinnen und Künstler zeigen das Leben am Land in Europa und Amerika mittels einer künstlerischen und fotografischen Analayse.
Testimonial 1: Michael S.
Herzstück der Pöchlarner Stadtkapelle vs. Neubau-Bobo mit Rennrad
Michi ist 2012 für sein Zahnmedizinstudium nach Wien gezogen und hat die niederösterreichische 3.915-Seelen Gemeinde Pöchlarn verlassen. Jetzt wohnt er in Neubau, mit seinen 2 Rennrädern an der Wand und hat ein Faible für guten Kaffee – you guessed it: aus einer Siebträgermaschine. Dauert zwar gefühlt 3 Stunden für eine Tasse Kaffee, aber Michi ist ein Fan.
Die Metarmorphose in Bildern: mit schickem Rennrad und Turnbeutel in Neubau vs. bei einem Konzert mit der Stadtkapelle Pöchlarn!
Mit welchem Lied würdest du deine Metamorphose vom Landei zum Stadtkind beschreiben?
Wiener – Kreiml & Samurai, Monobrother
" I werd den Bürgermeister-Posten übernehma', dann köpfen wir die Statue von Dr. Karl Lueger!“
Was hast du als erstes gelernt, als du in die Stadt gezogen bist?
Man stößt auf Unmut, wenn man sich im Supermarkt erkundigt, ob gewisse Produkte im Sortiment vertreten sind bzw. wenn ja, wo diese versteckt werden. Findet man etwas nicht, so wird man ohne dem überleben müssen. Improvise – adapt – overcome.
Gibt es einen Secret-Code wie sich Landeier untereinander erkennen? Verwirrte Blicke, Morse-Zeichen?
I bin vom Laund, ma kennts am Gwaund.
Testimonial 2: Nicole G.
Philippina-Heidi aus Vorarlberg vs. Publizistik-Mastermind z’Wian
2015 hat Nici die engen Bergpässe passiert als sie Voriland verlassen hat und mit ihren sieben Sachen (davon waren 3 Bergkäse) nach Wien gezogen ist, um ihr Publizistikstudium zu beginnen. In Wien ist sie fast auf jeder Party zu finden, am nächsten Tag mit überteuertem Coffee-to-go in der Bib und in Gedanken aber wieder in Vorarlberg.
Die Metarmorphose in Bildern: mit Glas (weil #ecofriendly) in der U-Bahn unterwegs vs. unschuldig an einem Spielplatz in Bregenz (weil es sonst nichts zu tun gibt).
Gibt es Momente in denen du dich noch wie ein Landei fühlst?
Auch wenn ich mir den „Wiener-Grant“ schon ziemlich gut angeeignet habe, spreche ich zum Großteil noch „wie mir da Schnabl gwachsa isch“ und bleibe meinem Dialekt treu. Allerdings ertappte ich mich selbst oft noch dabei, wie ich die Menschen auf der Straße anlächle – wie es nun mal im Dorf halt üblich ist. Mein darauffolgendes „Heile“ und die verwirrten und teils erschrockenen Blicke holen mich dann aber schnell wieder zurück auf den Boden der Realität und mir wird klar, dass „Heile“ in Wien definitiv nicht die passende Begrüßung zu sein scheint.
Sei ehrlich, fährst du vollbepackt mit Mamas Goodies (=Essen) von Zuhause wieder nach Wien (und riskierst somit, dass das gesamte Zugabteil nach Bergkäse und Schweinsbraten riecht) oder findest du das eher peinlich?
Top Berg- und Räßkäse sind für uns „Kässpätzle-Fetischisten“ ein Must-Have und müssen unbedingt mit ins Gepäck. Ein gutes hausgemachtes „Surkrut“ und Papas geheime Gewürzmischungen sind natürlich auch immer dabei, um ein Stückchen Heimat stets in Wien zu haben – denn „dahoams ischs halt immerno am beschta!“
Kannst du dir vorstellen, wieder zurück aufs Land zu ziehen? Haus mit Garten, Kinder und Golden Retriever?
Definitiv – da braucht's auch keine lange Erklärung, denn „dahoam isch einfach dahoam.“
Auf der nähsten Seite geht es weiter mit Thomas und Marie!
Testimonial 3: Thomas G.
Salzburger Bua vs. Hipster an der BOKU
Für sein Studium Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der BOKU hat Thomas die Salzburger Idylle verlassen. Mittlerweile macht er schon seinen Master im selben Studienfach und ist zu einer Art Artsy-Hipster-mit-Weltverbesserungssinn geworden – abgerundet mit einer Brille, die an die Ryan Gosling-Memes erinnert.
Die Metarmorphose in Bildern: artsy-fartsy mit dreamy eyes + black & white vs. Tracht und Smiles.
Gibt es Momente in denen du dich noch wie ein Landei fühlst?
Als BOKU-Student ist das daily business! Die Türkenschanze ist eine Art Westösterreich-Microverse.
Gibt es einen Secret-Code wie sich Landei untereinander erkennen?
Mein Salzburger-Land-Dialekt entlarvt mich schnell als Zugezogenen. Aber samma uns ehrlich - Wien is a a Dorf.
Bringst du nach dem Heimatbesuch Sachen nach Wien mit?
Klar! Ich fahr' zwar nur mehr alle paar Monate „heim aufs Land“, dafür komm ich dann mit einem extra Koffer voller selbstgemachter Sachen à la Mama zurück. (Die WG sagt danke.)
Mit welchem Lied würdest du deine Metamorphose vom Landei zum Stadtkind beschreiben?
Dendemann: Wo Ich Wech bin.
Wohin ich auch geh, dis is' wo ich wech bin
Woher ich auch komm, sicher nicht von schlechten
Im Kopf und im Herz bin ich oft wieder hier
Du kriegst mich aus dem Dorf, doch das Dorf nich' aus mir.
Testimonial 4: Marie S.
Multikulti Landei vs. transkultureller Sonnenschein in Wien
Marie ist deswegen ein "Multikulti-Landei", weil sie bisher 21x umgezogen ist. Von Land zu Land. Aufgewachsen ist sie hauptsächlich in Estepona im Süden von Spanien und in Kinheim an der Mosel in Deutschland - the best of both worlds. Jetzt studiert sie Transkulturelle Kommunikation in Wien und verdient sich daneben ein paar Euronen in einem coolen Café. Mit 3 Mitbewohner wohnt sie in einer leiwanden Wohnung in Rudolfscrime.
Die Metarmorphose in Bildern: mit Vans und Jutebeutel in der Stadt vs. mit der Pilzbeute und Mama am Land!
Gibt es Momente in denen du dich noch wie ein Landei fühlst?
Ja, die gibt's oft genug! Oft will ich Leute auf der Straße einfach grüßen und lächle sie an. Das verwirrt glaub ich sehr viele in Wien! Außerdem bin ichs, selbst nach 5 Jahren nicht mehr am Land lebend, immer noch nicht gewohnt keine Werkstatt oder Garage zur Verfügung zu haben um was zu basteln, bauen oder lagern…
Die Öffiwartezeiten sind in Wien sowieso chillig, nicht nur im Vergleich zum Land sondern auch zu anderen Städten. Also 10min in der Nacht warten, gar kein Ding!
Sei ehrlich, bist du #team immer voll bepackt mit mamas Essen bzw. goodies von Zuhause wieder nach Wien fährt (und somit riskiert, dass das gesamte Zugabteil nach Bergkäse und Schweinsbraten riecht) oder findest du das eher peinlich)?
Ich bin nur alle 2 Monate bei meinen Eltern, aber auf dem Rückweg bin ich dann meist vollbepackt mit Gemüse und Kräutern aus dem Garten, Kürbiskernöl, Marmeladen, selbst gebac