Oase in der Fetzenwüste 

Das durchschnittliche Geschäft auf der Mariahilferstraße ist 239qm groß und gehört zu einem Textilriesen. Doch zwischen all den gesichtslosen Geschäften haben sich zum Glück auch einige Wiener Traditionsbetriebe gehalten, die ihren Charme aus anderen Quellen als dem möglichst schnellen Sortimentswechsel und dem ewigen "BilligerBilliger" beziehen. Das Fachgeschäft Walter Weiss auf der Nummer 33 ist so eine Oase in der Fetzenwüste. In dem holzvertäfelten Geschäft mit den wunderbar gebogenen Glasscheiben bekommt man alles für "die tägliche Pflege mit Stil". 

 

Bartöle, Naturschwämme und Luxusnagelscheren

Auch wenn Daniel Weiss, der das Geschäft 2003 von seinem Vater übernommen hat, kein passionierter Ahnenforscher ist, wie er im Gespräch betont, eines lässt sich sagen: Die Weiss sind Optimisten. So gründete sein Großvater das Geschäft kurz nach Kriegsende im Mai 1945. Und sein Vater, dessen Namen der Laden noch heute trägt, gab auch während folgender wirtschaftlich schwieriger Zeiten nicht auf. In den 80er gab es Tage an denen kein Mensch den Laden betrat. Doch mit der Eröffnung der U3 im Jahre 1991 drehte sich das Blatt und die Mahü füllte sich wieder mit Menschen - das Durchhalten hatte sich gelohnt. Bis heute laufen die Geschäfte gut und Daniel Weiss hat inzwischen sechs Angestellte. Die engagierten Mitarbeiterinnen sind Teil seines Erfolgsrezepts: Akribisch notieren die Damen die Kundenwünsche und machen es so möglich, dass das Sortiment immer nahe an der Nachfrage bleibt. Während der Großvater noch überwiegend mit einfach Drogerie- und Convenienceprodukten handelte, finden sich etwa heute die feinsten Bartöle, Naturschwämme und jedes erdenkliche Utensil zur Nagelpflege im Sortiment.

 

Von der Männerbürste bis zum Mädchenkamm

Selber produziert wird hier übrigens nichts, viele der Produkte werden aber unter der Hausmarke "Walter Weiss" vertrieben. Die mit der schön geschwungenen Unterschrift des Vaters gebrandeten Dinge entstehen in enger Zusammenarbeit mit österreichischen Firmen. So fertigt etwa der junge Hornmacher Thomas Petz (der in der Welt der Körperpflege gerade für ordentlich Aufsehen sorgt) für den kleinen Laden in Wien Mariahilf.

Zum Thema "Bürsten" ließen sich überhaupt ganze Bücher füllen: Die klassische Männerbürste etwa hat keinen Griff sondern einen Lederriemen der direkt am Bürstenkopf sitzt. "Kardätsche" wird sie genannt und man kennt sie auch aus dem Pferdestall. Überhaupt ließe sich mit ein wenig Basiswissen zur Haarpflege das Leben vieler kleiner Mädchen entscheidend verbessern: Bei störrischem langem Haar empfiehlt es sich nämlich zuerst mit einem Kamm vorzuarbeiten - und sich dann mit einer Naturbürste langsam von der Haarspitze zur Kopfhaut hochzuarbeiten. Ach, wie viele Tränen hättest du mir ersparen können, Mutter!

 

Faktenblatt

Für ein Leben ohne Plastik: Holzzahnbürste mit Naturborsten 7,90 €
Für Reinheitsfanatiker: Handgemachter Staubwedel aus Ziegenhaar, 60 €
Braucht man unbedingt: Bürstenbürste (zur Reinigung der Erstbürste) 4,95 €
Für deinen nächsten Auftritt als Kaiser-Imitator: Bartbinde, 39 € 

 

Hier findest du den dritten Teil unserer Serie: Metall-Petzolt in der Burggasse.

Mehr zum Thema
 
 
Design, 21.11.16