Wien, oh Wien. Nicht nur, dass unsere Stadt eine spannende (nicht immer schöne) Vergangenheit hat, sie ist auch Schauplatz so mancher Romane, in denen wir uns besonders gerne verlieren. Hier kommen einige besonders gute Bücher, mit Schauplatz Wien!

 

Dicht von Stefanie Sargnagel

Eine Tagediebin erzählt ihre Geschichte: Im neuesten Buch, sozusagen dem Debütroman von Stefanie Sargnagel nimmt sie uns mit in ihre Vergangenheit. Da ist von sogenannten "Hüttn" die Rede, Lokale am Gürtel bei denen man sich einen Eistee bestellen musste, um Weed zu kaufen, vom Café Stadtbahn, in dem sie ihren späteren Weggefährten Michael kennenlernt, von ihrer Gemeindebauwohnung, ihrem Callcenter Job, von Depressionen und Kritik am Bildungssystem. Besonders ist die Autofiktion deshalb, weil Stefanie kein Blatt vor den Mund nimmt - so hätte der Untertitel "Aufzeichnung einer Tagediebin" eigentlich "Aufzeichnungen einer Owezahrerin" heißen sollen, der Verlag war nur dagegen, wie sie in einem Interview erzählt. Owezahrerin oder Tagediebin, das Buch reißt einen in jedem Fall so mit, dass man am Ende selbst in der Gemeindebauwohung von Michael auf einer Matratze sitzt. Unbedingte Empfehlung!  

 

Das Palais muss brennen von Mercedes Spannagel

Als Antwort auf die Windhunde ihrer Mutter, holt sich Luise einen Mops nach Hause ins Palais und nennt ihn Marx - Luises Mutter ist Bundespräsidentin und rechtskonservativ. Luise stellt sich nicht nur wehement gegen die politische Einstellung ihrer Mama, sondern entwickelt ebenso einen rebellischen Plan um die Präsidentin zu Fall zu bringen - das soll auf dem Opernball passieren. Auch abseits davon ist Luises Leben spannend - wenn's um ihre Gspusis geht oder die Partynächte, zu denen Drogen quasi dazu gehören. Gemeinsam (aber doch irgendwie einsam) mit ihrer Schwester und ihren Freund*innen erlebt sich aufregende Tage, geprägt von Kunst, Musik, inspirierenden Persönlichkeiten und ganz ganz viel Wiener Charme!

 

Im Ruin von Barbara Kadletz

Im Ruin (eine Bar im 10. Bezirk) begegnen sich Katharina und Ari zufällig. Katharina ist die Besitzerin der Bar und Arie ihr zurückhaltender Gast, der sich immer wieder an Katharinas Lieblings-Platz setzt. Langsam aber wahnsinnig schön entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden, die sowohl Ari als auch Katharina dringend nötig haben. Seit dem Tod ihres Freundes David ist Katharinas Leben vor allem von Trauer und Schmerz überschattet - der rastlose Ari findet im Ruin sein neues Wohnzimmer. Die Dialoge in diesem Buch sind philosophisch aber nicht pathetisch, als Leser*in fühlt man sich der Handlung besonders nah & die Autorin beweist in ihrem Debüt-Roman Sprachgefühl auf höchstem Niveau. Wir empfehlen dieses Buch aber besonders weil wir das Wiener Nachtleben so sehr vermissen & beim Lesen dieses Buches die perfekte Menge an Beisl-Melancholie empfinden!

 


Adler und Engel von Juli Zeh 

Die Bonnerin Juli Zeh ist eher bekannt für ihren Roman Spieltrieb, der auch verfilmt wurde. Wenige wissen, dass sie noch einige andere, wunderbare Romane geschrieben hat.  Wie gewohnt ist auch die Geschichte von Max aus Adler und Engel eine raue und düstere Geschichte. Die Freundin des Juristen Max erschießt sich während eines Telefonats der beiden. Ab diesem Zeitpunkt zerbricht Max' Leben: Fortan misst er die Zeit, die er noch auf Erden zu weilen gedenkt, nur noch daran, wie lange und wie viel Koks er sich noch leisten kann. Clara, eine Radiomoderatorin nimmt sich seiner an und konfrontiert ihn mit seiner Vergangenheit in Wien. Die Beziehung der beiden ist aber keineswegs heilsam.

 

Leerstand im Privateigentum von Lena Hödl

Wir werden nicht müde, es zu betonen. Lena Hödl ist einfach geil! Vielleicht gerade, weil sie so herrlich aufgesetzt exzentrisch ist (letztens hat sie sich auf ATV oder so mit ihrem besten Freund den Intimbereich bleachen lassen). Ihr zweites Buch Leerstand im Privateigentum ist auf jedenfall unglaublich unterhaltsam und spielt in Wien, in Graz und irgendwo am Land, wo sie aufgwachsen ist. Jede*r, die*der seine Jugend in Wien verbracht hat, findet sich ganz sicher in ihrem Buch wieder, sei es an einem Ort in Wien, den Drogen- und Sexezxessen, die Lena so gut und absolut nachvollziehbar beschreibt (so spart man sich selbst den Bad-Trip) oder in der Akribie der Autorin, geht es darum den ein und denselben Fehler immer und immer wieder zu machen (hört auf zu Tindern!). Große Empfehlung, vor allem, wenn man schnelle Unterhaltung sucht oder das Fortgehen vermisst. 

 

Die Arbeit der Nacht von Thomas Glavinic

Stell dir vor, du lebst ein mehr oder weniger entspanntes Leben als Einrichtungsberater(!) irgendwo bei der Brigittenauer Lände, und eines schönen Tages wachst du auf, und Wien hat keine Bewohner*innen mehr. Was würdest du als Erstes machen? In seinem Roman beschreibt Glavinic, vorwiegend in personaler Erzählform die verzweifelte Suche des Protagonisten Jonas nach anderen Lebewesen. Den gesamten Roman hinterlässt Jonas Spuren, Nachrichten und SOS-Botschaften, bis er auf seiner Reise schlussendlich doch nur wieder an seinen eigenen Botschaften vorbeikommt, die er schon längst vergessen hat. Über die Person Glavinic lässt sich streiten (Sargnagel und Glavinic sind ziemlich große Feinde), aber seine Bücher rund um Jonas sind mehr als gut! Jonas ist nicht nur ein Protagonist, sondern eine komplexe Figur, die sich mit jeder Seite und jedem nachfolgenden Buch von Glavinic weiterentwickelt. Es lohnt sich!

 

Himmelwärts von Elisabeth Klar

Wenn eine Füchsin in Menschengestalt die Wiener Schwulenszene und ihren leidenden homosexuellen Freund, dem in einem schmerzhaften Prozess Flügel wachsen, beobachtet und beschreibt, dann muss das entweder richtig gut werden oder total komisch. In Himmelwärts von Elisabeth Klar ist es unglaublich gut geworden. Wieder und wieder nimmt uns Sylvia, die Füchsin, mit in den Drag-Club Himmelwärts, den einzigen Ort, an dem sie und die anderen Besucher*innen so sein können, wie sie sein wollen. Klar lässt in ihrem Buch die Grenzen zwischen Tier und Mensch verschwimmen und erzeugt so politische Zwischenräume und surreale Situationen, die zum Nachdenken anregen. Einfach toll!

 

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