Wir kommen täglich in Kontakt mit dem Bimfahrer, der uns zur Uni oder zur Arbeit bringt, den vielen Fiakerlenkern am Stephansplatz, der netten Verkäuferin bei der Aida, immer dem gleichen Augustin-Verkäufer in unserer U-Bahnstation. Sie alle sind Wiener Originale. Sie machen unser Wien zu dem was es ist. Aber wer sind diese Menschen eigentlich? Wir haben sie besucht und interviewt.

 

Wolfgang, bekannt, berühmt und beliebt als "der Fiakerbaron" - mit Kutsche, Freundlichkeit und Melone

Wer sich jetzt einen grantigen, lieblosen Touristenführer vorstellt, liegt um 180 Grad daneben: Wir haben den Pferdeflüsterer von Wien getroffen. Nicht zu vergessen: die beiden Pferde Exzellenz und Sophie.

Steckbrief

Name: Wolfgang

Nationalität: Österreicher

Wohnt in: 1110 Wien

Beruf: Fiakerlenker seit 23 Jahren 

Vorheriger Beruf: Kellner - "Da musste ich noch selber laufen - heute laufen die Pferde"

 

Wie bist du zu dem Job gekommen?

Das war auf ein Zeitungsinserat. Ich habe als Kind viel mit Pferden zu tun gehabt und hab mir gedacht „Na vielleicht ist das wie Radfahren, das verlernt man nicht“, und hab mich dann einfach raufgesetzt und es ist tatsächlich wie Radfahren – nach guten 100 Metern war ich wieder drinnen und seitdem bin ich nicht mehr davon weg.

 

Wie bist du zum Spitznamen "Fiakerbaron" gekommen?

Der ist entstanden vor über 20 Jahren, da war das Publikum unter den Fiakerfahrern noch eher ein raueres - vorbestrafte Alkoholiker und dergleichen. Da hab ich dann irgendwann einmal einen Anfall gekriegt und hab gesagt „Na gegen euch bin ich ja adelig!“. Und dann wurde ich spaßhalber immer „Herr Baron“ genannt und das ist mir jetzt über 20 Jahre schon geblieben.

 

Was liebst du an deinem Beruf?

Der Umgang mit den Pferden! Das ist unbezahlbar! Das kann man auch nicht wirklich beschreiben, das ist wie ein Gefühl und Gefühle kann man schwer beschreiben. Jeder Hunde- oder Katzenbesitzer kann nachfühlen, wie es mir mit meinen Pferden geht. Da ist auch gar kein Unterschied, außer bei der Größe. Aber die Liebe zum Tier ist die gleiche.

 

Was magst du an deinem Beruf nicht so gerne?

Die Leute, die mich von der Seite Tierquäler schimpfen! Das verdrießt mich sehr. Früher hab ich mich gekränkt und eine Zeit lang noch zurück geschimpft, dann nach 10, 15 Jahren bin ich auf die Leute zugegangen und hab sie gefragt wie sie darauf kommen. Ein Pferd in freier Wildbahn geht bis zu 70 Kilometer täglich und ein Fiakerpferd macht ja keinen Hochleistungssport, die gehen ja auch nur spazieren. Und was wir machen ist artgerechte Haltung, die werden beschäftigt - schau wie ruhig die alle sind! Die sind ausgeglichen.

Wie heißen die beiden Pferde, mit denen du heute unterwegs bist?

Er (links am Foto) heißt Exzellenz und sie ist die Sophie. Zusammen sind sie Exzellenz Sophie, das war die Mutter vom Kaiser Franz Josef.

 

Und wo wohnen die?

Wir haben 2 Hektar Weidefläche auf der Simmeringer Heide, da wohnen insgesamt 16 Pferde.

 

Wie oft streichelst du die Pferde am Tag? Bekommen sie viel Liebe?

Oft, sehr oft. Meist vor und nach jeder Rundfahrt und wenn wir länger wo stehen. Also sehr viel Liebe eigentlich. Und die werden nicht nur untertags von mir gestreichelt, sondern das erste was ich mache, wenn ich in der Früh in den Stall komme, bevor ich noch ins Büro gehe, gehe ich zu meinen Pferden.

Momentan habe ich zwei Pferde, die sind in Krankenstand, da gehe ich hinein und verbringe mit jedem einmal 10 Minuten, weil die ja im Moment nur daheim sind und da ist ihnen ja auch fad. Ich kenne von jedem einzelnen Pferd den Charakter, weiß welches Pferd wann wie reagiert. Du musst ja immer mit den Pferden ein Team sein, sonst funktioniert das nicht.

Was ist die Frage, die dir am häufigsten gestellt wird?

"Wieviel kostet das?"

 

Was ist das Verrückteste, was du bei der Arbeit bisher erlebt hast?

Ich bin einmal mit einem Präsidentschaftskandidaten gefahren und da kam von seiner Begleitung die Bitte, ob es nicht möglich wäre, die Pferde vor die Hofburg - konkret vor die Präsidentschaftskanzlei - zu führen, um sie dort misten zu lassen. (lacht)

 

Zum Abschluss: wie schaut dein durchschnittlicher Tag als Fiakerfahrer so aus?

Wir dürfen erst um 10 Uhr rausfahren. Ich bin aber meistens schon gegen 8 Uhr im Stall und erledige alle E-Mails und Anfragen und verbringe wie gesagt Zeit mit meinen Pferden im Stall. Wir haben Angestellte, die sich auch um die Pferde kümmern und die Kutschen und die Pferde herrichten. Und dann gegen 10 Uhr, heute war's erst Dreiviertel 11, fahren wir dann raus.

Abends, wenn wir zurück in den Stall kommen, dann bringe ich die Unterlagen ins Büro und mache die Abrechnung und wenn ich dann um 20:00 Uhr mit der Abrechnung fertig bin, dann bin ich sicher noch bis 21:00 Uhr im Stall. Sonst hast ja nichts davon. (lächelt liebevoll in Richtung Exzellenz & Sophie)

 

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