Ein kurzer Blick auf Hedy Lamarrs erstaunliche Biografie und es kommt das Gefühl auf, man würde ein Drehbuch straight aus Hollywood lesen: Eine junge Schauspielerin flüchtet in den 1930er Jahren vor ihrem kontrollsüchtigen Ehemann, landet in Amerika und wird zum Star. Später stellt sich heraus, dass sie ein Genie ist, das die US-Navy im zweiten Weltkrieg unterstützen will. Einer ihrer Geistesblitze hat sogar den Grundstein für Kommunikationstechnologien gelegt, die heutzutage zum Alltag gehören. Auch der Rest ihres Lebens wirkt wie ein Hollywoodstreifen - leider einer der Sorte ohne Happy End. 

Der Skandalfilm, der die rebellische Frau aus guten Hause weltberühmt machte 

 

Im Jahr 1914 wurde Hedy Lamarr als Hedwig Eva Maria Kiesler in Wien geboren. Sie stammte aus einer jüdischen Familie und wuchs in der Peter-Jordan-Straße im Nobelbezirk Döbling auf. Mit 18 Jahren veränderte sich ihr Leben schlagartig. Sie erhielt ihre erste Hauptrolle im tschechoslowakischen Liebesdrama „Ekstase" und ist dadurch über Nacht in aller Munde gewesen. Der Grund: Im Skandalstreifen sah man sie splitternackt in einem Badesee schwimmen. Zusätzlich simulierte sie in einer anderen Szene erstmals einen Orgasmus im Mainstream-Kino. Somit brach sie gleich zwei Tabus in der internationalen Filmindustrie und erschuf damit ihr kontroverses Image. 

 

Aus dem Fenster direkt in die Freiheit 

1933 heiratete sie Fritz Mandl in der Karlskirche. Sie musste für die Hochzeit zum Christentum konvertieren. Ihr (erster) Ehemann (von sechs) war als Munitionsfabrikant und Waffenhändler tätig. Da er maßlos eifersüchtig war, verbot er ihr jahrelang die Schauspielerei und versuchte mit Hilfe seines Reichtums alle Kopien ihres Skandalfilms „Ekstase"aufzukaufen. Ihr Eheleben verbrachte sie eingesperrt auf seinem Landgut in Niederösterreich. Die Flucht aus dem goldenen Käfig erfolgte im Winter 1937. Sie musste dabei aus dem Fenster in den Schnee springen, da alle Türen von außen verriegelt waren. Vor dem Haus wartete ein englischer Diplomat auf sie, der ihr dabei half über Paris nach London zu gelangen.

 

Aus Hedwig Kiesler aus Wien wird Hedy Lamarr, „die schönste Frau der Welt“ 

Auf dem Schiff nach Amerika lernte sie MGM-Studioboss Louis B. Mayer kennen und handelte einen Vertrag mit ihm aus. Er verlieh ihr schließlich ihren Künstlernamen Hedy Lamarr, inspiriert von Stummfilmstar Barbara La Marr. In den USA angekommen vermarktete MGM sie als „schönste Frau der Welt“. Schon ihr erster Film „Algiers“ war ein großer Erfolg und machte sie rasch zu einer bedeutenden Persönlichkeit in der US-Filmindustrie. 

Unbeachtete Genialität 

Hedy hatte bereits als Kind ein ausgeprägtes Interesse an Naturwissenschaft und Technik.  So entwickelte sie in ihrer Freizeit, gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil, das sogenannte Frequenzsprungverfahren. Damit sollte eine störungssichere Funkfernsteuerung für Torpedos im Kampf gegen das Nazi-Regime ermöglicht werden. Ihr Wissen rund um das Thema Waffentechnik aus der Zeit mit Fritz Mandl soll zur Entwicklung des Verfahrens beigetragen haben. George Antheil und sie boten ihr Konzept dem US-Militär an, allerdings wurde es erst während der Kuba-Krise militärisch angewendet. Geld für diese Idee bekam sie nie. Das Patent war bereits ausgelaufen, als sie von der Verwendung erfuhr. Außerdem erhielt Hedy erst einige Jahre vor ihrem Tod öffentliche Anerkennung für das Frequenzsprungverfahren. Wichtig zu wissen: Das Frequenzsprungerfahren ist als Basis für heutige Kommunikationstechnologien wie Bluetooth, WLAN und GSM zu verstehen.

 

Vom Rampenlicht in die Einsamkeit 

Ab den 1950er Jahren ging es mit ihrer Karriere bergab. Auch in ihrem Privatleben schien alles schief zu laufen. Sechs gescheiterte Ehen und zahlreiche Affären mit Männern und Frauen sorgten regelmäßig für Schlagzeilen. Weitere Skandale folgten aufgrund von Anzeigen wegen Ladendiebstahls. Obwohl Hedy die enorme Oberflächlichkeit in Hollywood kritisierte, unterzog sie sich zahlreichen Schönheitsoperationen, die ihr Gesicht nach und nach entstellen. Sie wurde schwerst depressiv und alkoholabhängig. In den letzten Jahren ihres Lebens kapselte sie sich vollkommen von der Außenwelt ab,  um zu verhindern, dass jemand ihren Verfall mitansehen konnte. Sie starb im Jahr 2000 alleine in ihrem Haus in Florida.

Ewige Sehnsucht nach Wien

In Interviews betonte Hedy stets, dass sie sich selbst noch immer als Wienerin betrachten würde und sprach ebenso oft darüber endlich nach Wien zurückkehren zu wollen. Sie schaffte es leider erst nach ihrem Tod zurück in ihre geliebte Heimatstadt. Ihr letzter Wunsch war es nämlich, dass ein Teil ihrer Asche im Wienerwald verstreut werden soll. Die anderen Überreste befinden sich heute in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

 

 

Ausstellung über Hedy Lamarr im Jüdischen Museum 

Wer mehr über Hedy Lamarrs Leben, insbesondere ihre Zeit in Wien, erfahren möchte, kann ab dem 31.5. die Ausstellung „Lady Bluetooth Hedy Lamarr“ im Jüdischen Museum Wien besuchen.

Dauer: bis 8.11.2020 

Adresse:  Dorotheergasse 11, 1010 Wien 

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Kultur, 30.9.13