Auch wenn es einem bei der täglichen Flut an Informationen und neuen Horror-Nachrichten schon wieder fast vergessen vorkommt, aber die Proteste rund um Polizeigewalt und Rassismus in den USA und dem Rest der Welt sind weder besonders lange her, noch sind sie vorbei. Viel zu regelmäßig werden neue Fälle von Gewalt gegenüber Schwarzen bekannt und auch andere Minderheiten, egal ob in den USA oder in Österreich, sind nach wie vor Beleidigungen, Gewalt und rassistischen Übergriffen ausgesetzt. Der Kampf gegen Rassismus hat also nicht aufgehört, nur weil er auf Social Media oder in den Zeitungen und Nachrichten gerade wieder weniger Aufmerksamkeit erlangt.
In Zeiten wie diesen finden wir, dass es eben nicht mehr reicht, selbst nicht rassistisch zu sein, sondern man sollte aktiv anti-rassistisch sein. Da fängt man am besten mal bei sich selbst an und auch wenn es manchmal unangenehm wird, ist es wichtig. Eine Möglichkeit, sich hier zu informieren und weiterzubilden ist Literatur. Aber Hand aufs Herz, wie viele Bücher nicht-weißer Autor*innen hast du so gelesen? Vermutlich wird die Antwort ernüchternd ausfallen, ist auch kein Wunder, wenn man in einer homogenen, mehrheitlich weißen Gesellschaft aufwächst und sich auf den meisten Leselisten der Schulen und Unis die immer gleichen, etablierten Autor*innen finden. Dabei wäre es so wichtig und auch interessanter, einmal Geschichten aus einer anderen Perspektive zu lesen. Deshalb hier ein Gegenentwurf und erster Schritt in Richtung Anti-Rassismus und für mehr Diversität im Bücherregal:
„Why I'm no longer talking to white people about race“
Das Buch von der Journalistin Reni Eddo-Lodge basiert auf einem Blogeintrag, den sie bereits 2014 veröffentlicht hat und der viel Aufmerksamkeit generiert hat. Darin und in dem in weiterer Folge erschienenen Buch erklärt sie zunächst, warum sie als Schwarze Frau keine Kraft, Lust, Motivation mehr dazu hat, mit weißen Menschen über Rassismus und Hautfarbe zu sprechen. Vor allem Menschen, die nicht nur keine Ahnung von der eigenen, erschwerten Lebensrealtiät haben, sondern diese Erfahrungen auch immer wieder klein reden oder anzweifeln.
In sieben Kapiteln erklärt sie dann wichtige Aspekte zu strukturellem Rassismus, geht auf weiße Privilegien ein und stellt auch Verbindungen zu Klasse und Feminismus her. "WINLTTWPAR" ist ein gutes Handbuch um sich über Rassismus zu informieren und seine eigenen Privilegien zu hinterfragen.
„Generation Haram“
Melisa Erkurt wurde 1991 als Kind bosnischer Eltern in Sarajevo geboren und ist als Kind aufgrund des Bosnienkrieges nach Österreich gekommen. Hier hat sie deutsch gelernt, die Schule besucht und später studiert. Sie ist als Journalistin für den Falter, biber und die ORF-Sendung Report tätig, ein Jahr hat sie außerdem an einer Wiener AHS unterrichtet. Melisa Erkurt hat es also "geschafft".
So geht es aber bei weitem nicht allen Kindern, die eine ähnliche Geschichte und Herkunft wie sie haben. Genau darum geht es in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Generation Haram". Ein Buch, das aufzeigt, dass das österreichische Schulsystem vielfach versagt und Kinder mit Migrationshintergrund und nicht-deutscher Muttersprache oft überbleiben. Ohne die notwendige Unterstützung erhalten diese Kinder auch nie die selben Chancen auf Weiterbildung und Aufstieg, wie viele andere.
„Queenie“
Das Leben der jungen, Schwarzen Queenie Jenkins gerät ziemlich aus den Fugen, als sich ihr Partner überraschend von ihr trennt und sie sich am überteuerten Londoner Wohnungsmarkt eine neue Bleibe suchen muss. Als neue und unfreiwillige Single-Frau versucht sie sich mit Dates ein wenig von ihrem gebrochenem Herzen abzulenken und muss immer wieder ernüchtert feststellen, dass man als Schwarze Frau schnell mal zum Fetisch-Objekt fragwürdiger Männerfantasien wird. Parallel dazu muss sie mit ihrem Job als Journalistin, mentaler Gesundheit und Alltagsrassismus zurecht kommen.
"Queenie" hat leichte und lustige Momente, die wohl viele aus ihren Zwanzigern kennen, aber dazwischen blitzten auch Ernsthaftigkeit und Tragik durch. Inspiriert sind die Erlebnisse in dem Roman vom Leben der Autorin, die 31-jährige Candice Carty-Williams, Tochter eines Jamaikaners und einer Indisch-Jamaikanischen Mutter, aufgewachsen ist sie, ähnlich wie Queenie, im Süden Londons. Der Roman wurde mit einigen Preisen ausgezeichnet und ist vor kurzem auch auf Deutsch erschienen.
„Born a crime“
Trevor Noah kennen die meisten wohl als unfassbar sympathischen und lustigen Moderator der Daily Show. Was viele aber vielleicht nicht wissen ist, dass der Comedian und Schauspieler auch ein Buch geschrieben hat. Der Titel "Born a crime" bezieht sich darauf, dass Trevor als Sohn einer Schwarzen Xhosa (südafrikanisches Volk) und eines eingewanderten, weißen Deutschschweizers im Jahr 1984 zu einer Zeit geboren ist, zu der seine Existenz in Südafrika eigentlich ein Verbrechen war. Denn zur damals war die Beziehung seiner Eltern aufgrund der Apartheidsgesetze noch verboten.
Sein Start ins Leben war dementsprechend schwer, die autobiographische Erzählung über seine Kindheit in Südafrika ist tragisch und humorvoll zugleich. Vor allem seiner aufopfernden und kämpferischen Mutter Patricia hat Trevor es zu verdanken, dass er es dorthin geschafft hat, wo er heute ist, das Buch ist deshalb auch ihr gewidmet!
„Sie şprechen ja Deutsch!“
Eser Akbaba beginnt ihre Geschichte mit einer Widmung an ihre Mutter. Gülistin Akbaba wollte, dass ihre Tochter einen Zugang zu höherer Bildung erhält und somit ein selbstständiges Leben führen kann. Ihr Wunsch erfüllte sich. Eser Akbaba studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften und wurde durch ihre Arbeit als Moderatorin beim ORF bekannt. Nun erzählt sie in ihrer zweisprachigen Biografie „Sie şprechen ja Deutsch!“, erschienen im Verlag „Kremayr & Scheriau“, von einem Alltag voller Hürden als Gastarbeiterkind in Österreich.
"Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten"
Die deutsche Journalistin und eine der beiden Podcasterinnen hinter "Feuer & Brot" ist Tochter einer Schwarzen US-amerikanischen Mutter und eines weißen deutschen Vaters. Anhand ihrer eigenen Familiengeschichte und Erlebnissen von Alltagsrassismus und Mikroaggressionen zeigt sie auf, wie präsent rassistisches Verhalten ist und dass man es oft nicht böse meinen oder absichtlich machen muss und trotzdem rassistisch sein kann. Leider! Aber genau darum geht es, auch die Menschen zu erreichen, die sich nicht aktiv rassistisch oder fremdenfeindlich verhalten, das aufzuzeigen und damit dabei zu helfen dieses Verhalten abzubauen. Auch wenn es zeitweise unangenehm ist, die Konfrontation durch Alice Hasters Buch ist notwendig und hilfreich.
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