Damit der Regenbogen nicht nur zahlreiche Hausfassaden und die Wiener Linien schmückt, sollen jetzt auch eure Bücherregale bunter werden: Hier sind 10 Buchempfehlungen, wovon ihr das ein oder andere unbedingt im Pride Month lesen solltet, um Vielfalt, Toleranz und vor allem die Liebe zu feiern.
Happy Pride!
Queere Literatur sollte nicht nur im Pride Month sichtbar, sondern jederzeit sichtbar sein, um Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen.
The Stonewall Riots: Coming Outs in the Streets von Gayle E. Pitman
Beginnen wir gleich mit einem Buch, das die Geschichte zusammenfasst, wieso der Juni überhaupt zum Pride Month erklärt worden ist. Mit dem Pride Month wird nämlich den Stonewall-Aufständen im Juni 1969 in den USA gedacht. Die Aufstände stellen einen bedeutenden Wendepunkt der LGBTIQ+ Community dar und werden häufig als das Schlüsselereignis betrachtet, das diese Bewegung erst so richtig ins Rollen gebracht hat.
Das Buch skizziert die Errungenschaften, Siege und Rückschläge der vergangenen Jahre und veranschaulicht die stattgefundenen Ereignisse mit zahlreichen Dokumenten, Zeitungsartikeln und Fotos. Außerdem stellt Pitman immer wieder Bezüge zur gegenwärtigen Situation her. Bisher gibt es das Buch nur in englischer Fassung, allerdings ist es wirklich in einfacher und verständlicher Sprache geschrieben.
Auf Erden sind wir kurz grandios von Ocean Vuong
Der autobiografisch angehauchte Debütroman von Ocean Vuong ist eigentlich ein Brief – ein Brief an seine Mutter, die ihn vermutlich nie lesen wird, weil sie Analphabetin ist. Ocean Vuong wurde in Vietnam geboren und wanderte als Kleinkind mit seiner Mutter und seiner Großmutter in die USA aus, wo er in armen und brutalen Verhältnissen aufwuchs.
Während man im Buch den jungen Protagonisten zu seiner ersten großen Liebe zurückbegleitet, kritisiert der Briefroman gleichzeitig scharfsinnig und selbstbewusst die sozialen Verhältnisse und vorherrschende Drogenpolitik in den USA, behandelt die Folgen des Vietnamkriegs, thematisiert posttraumatische Belastungsstörungen und berichtet gefühlvoll von der beschwerlichen Suche nach der eigenen Identität. Es ist faszinierend Zeile für Zeile mitzuverfolgen, wie der Protagonist seinen Platz im Leben jenseits zugeschriebener Rollen sucht und dabei zwischen all dem Hässlichen immer wieder auf Schönheit trifft.
Mädchen, Frau, etc. von Bernardine Evaristo
Mit diesem Roman aus einer Fülle an verschiedenen, dennoch verstrickten Geschichten hat Bernardine Evaristo 2019 als erste schwarze Schriftstellerin den Booker Prize gewonnen. Völlig zurecht: 12 Protagonistinnen und ihre Schicksale werden zu einem gesellschaftspolitischen, literarischen Kunstwerk voller Diversität verwoben: Die Autorin selbst sagte in einigen Interviews, dass sie so viele weibliche, schwarze Charaktere ins Buch bringen wollte, wie es ihr nur möglich war. Am Ende lesen wir hauptsächlich von 12 Frauen, die lesbisch, hetero, trans, non-binär, jung, alt, wütend, glücklich, dynamisch, Lehrerin, Bäuerin, Bloggerin und vieles mehr sind. So abwechslungsreich die Figuren auftreten, so lässt sich dasselbe ebenfalls über den Schreibstil der Autorin sagen: Selten wird ein Punkt gesetzt, der Text wird mit Absätzen und Beistrichen verziert und mit einer großartigen Portion Humor abgerundet. In Mädchen, Frau, etc. liest man Geschichten, die man so noch nicht gelesen hat.
Das Lied des Achill von Madeline Miller
Potterheads aufgepasst: J.K. Rowling liebt dieses Buch ;)
In diesem Jugendroman holt Madeline Miller die alte Sage um den Halbgott Achill aus der Ilias von Homer, entstaubt ihn und haucht der Geschichte neues Leben ein. Diesmal wird sie aus der Sicht des Patrokolos erzählt: dem seit Kindestagen engen Freund und späteren Liebhaber des Achill. Gemeinsam ziehen sie in den Kampf um Troja, in dem sich ihre Liebe einigen Herausforderungen stellen muss. Trotz des Perspektivenwechsels bleibt die Autorin möglichst nahe an der ursprünglichen Version von Homer, ergänzt diese jedoch mit tiefen Gefühlen der Zuneigung, Hoffnung und Verzweiflung. Griechische Mythologie rundum den Trojanischen Krieg neu erzählt: ein wirklich gelungener Roman.
Middlesex von Jeffrey Eugenides
Wenn wir schon bei Griechischer Mythologie sind: Mythologische Anspielungen lassen sich auch in diesem, teils autobiografischen, Roman finden. Middlesex erzählt von einer aus Griechenland stammenden Einwandererfamilie und insbesondere vom intergeschlechtlichen Charakter Calliope, später Cal Stephanides in einem Zeitraum von 1922 bis 1975.
Cal Stephanides wird als Junge, wegen eines 5-alpha-Reduktase-Mangelsyndroms jedoch mit weiblichen Genitalien geboren und wächst als Mädchen auf. Darauf aufbauend hat Eugenides es geschafft, eine vielschichtige Erzählung niederzuschreiben, die Heteronormen in Frage stellt, die die Gender-Problematik thematisiert und Bereiche der Humangenetik streift.
Es geht um Transformationen: vom Mädchen zum Jungen, vom Kind zum Erwachsenen, vom Griechen zum Amerikaner. Dabei löst der Roman verschiedenste binäre Konstruktionen auf, obwohl solche Konstrukte zu Häufe das Umfeld des Protagonisten prägen. Doch der Roman lässt sich weder in Geschlecht und Charakter noch in Fiktion und Autobiografie kategorisieren und wird damit zu einer wahnsinnig bereichernden Leseerfahrung.
Die pinke Linie von Mark Gevisser
„Weltweite Kämpfe um sexuelle Selbstbestimmung und Geschlechtsidentität“ lautet der Untertitel des im April erschienenen Werkes und macht darauf aufmerksam, wie wichtig die Forderung nach Rechten für die LGBTIQ+ Community nach wie vor rund um den Globus ist.
Mark Gevisser definiert die pinke Linie als ein „Grenzgebiet des Menschenrechtsdiskurses, das die Welt in den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts auf eine gänzlich neue Art teilt und beschreibt“.
Das Buch stellt eine Sammlung aus Essays, Reisebericht und Reportagen dar, die vom Kampf um rechtliche Gleichstellung und von der Gendertheorie sowie deren Stellwert in lokalen Kontexten berichten.
Dabei lässt er die Geschichten von unterschiedlichen Schicksalen und deren Herausforderungen, Konflikte und Widersprüche rundum die Welt in das Werk miteinfließen: So erzählt er von einer Transfrau aus Malawi, einem lesbischen Paar aus Russland, jungen Frauen aus Indien, queeren Paaren aus Ägypten und vielen weiteren Menschen. Faktenreich, empathisch und schockierend wahr: Mark Gevisser hat ein bedeutendes Buch geschrieben, das definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient hat.
Die jüngste Tochter von Fatima Daas
„Ich heiße Fatima. Ich trage den Namen einer heiligen Figur des Islam. Ich trage einen Namen, den ich ehren muss.“
Der Debütroman von Fatima Daas ist erst im Mai erschienen und für den Internationalen Literaturpreis nominiert.
Fatima wächst als Kind algerischer Eltern in einem französischen Vorort auf und stellt sich schon sehr früh Fragen der Zugehörigkeit und der eigenen Identität. Fatima ringt mit den Erwartungen ihrer Eltern an eine Tochter, die als Nachzüglerin gar nicht mehr gewollt war, die als homosexuelle Frau einer Religion angehört, in der sie nicht einmal zu existieren scheint. Nicht nur die Geschichte zieht das Lesepublikum in den Bann, sondern auch sprachlich ist dieser Roman genial. Die Kapitel sind fragmentiert, dennoch hängen sie zusammen und ergeben ein beeindruckendes und starkes literarisches Kunstwerk.
Call Me By Your Name von André Aciman
Spätestens seit der 2018 erschienen Verfilmung kann die Geschichte des Romans Call Me By Your Name (auch: Ruf mich bei deinem Namen) als echter Klassiker durchgehen.
Die Liebesgeschichte von Elio und Oliver – romantisch aber keineswegs kitschig - spielt im Italien der 1980er Jahre. Wie jedes Jahr nehmen Elios Eltern für ein paar Wochen einen Gast in ihr Haus auf, damit dieser dem Vater, einem Professor, bei bürokratischen Arbeiten hilft. Diesmal ist es der Harvard-Absolvent Oliver, in den sich Elio überraschend verliebt.
André Aciman schreibt intensiv, leidenschaftlich, authentisch, realistisch und erinnert mit seiner Geschichte das Lesepublikum daran, worum es in der Liebe wirklich gehen sollte. Ein wunderschöner Roman mit sommerlichen Vintage-Flair: perfekt für den Pride Month!
One Life von Megan Rapinoe
Megan Rapinoe ist Weltfußballerin des Jahres 2019, Weltmeisterin, Olympiasiegerin, Aktivistin und seit der Veröffentlichung ihrer Autobiografie auch Autorin. In One Life erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend in den USA, ihrem Weg zum Erfolg im Sport, von ihrem Coming-Out und wieso es wert ist, für eine gerechtere Welt zu kämpfen. Rapinoe setzt sich nicht nur für Rechte der LGBTIQ+ Community ein, sondern ebenso für geschlechtliche Gleichstellung und demonstriert unermüdlich gegen strukturellen Rassismus und Polizeigewalt. Auch wenn ein thematischer Fokus des Buches beim Fußball liegt, werden auch alle, die momentan nicht mit der EM mitfiebern, Gefallen an ihren geschriebenen Zeilen finden. Rapinoes ausgeprägtes Bewusstsein für Gerechtigkeit ist aufrüttelnd, motivierend und regt definitiv zum Nachdenken an.
Heartstopper von Alice Oseman
Heartstopper sind die erfolgreichsten queeren Comics weltweit und wurden bereits als Serie adaptiert. Es geht um die Liebesgeschichte zwischen den Schülern Nick und Charlie, die gegensätzliche Charaktere aufweisen und sich zunehmend näher kommen. Die Comig-of-Age-Geschichte mit den dazugehörigen Illustrationen ist süß und liebevoll gestaltet. Zwar werden die Comics ab 12 Jahren empfohlen, berühren aber auch erwachsene Leser:innen. Allerdings wurden die Bücher dahingehend kritisiert, für ein Heteropublikum geschrieben worden zu sein und schwule Liebe für weibliche Lesende romantisieren. Am besten also einfach mal selbst reinblättern und entscheiden, wie man die Comics findet!
Lust auf mehr Weiterbildung? Hier kommt eine anti-rassistische Leseliste.