Wenn man den Innenhof in der Billrothstraße 51 in Wien Döbling betritt, fühlt man sich in Kaisers Zeiten zurückversetzt. Das Tor zur Sektkellerei steht offen und kühle Luft schlägt uns entgegen. Direkt darüber stehen mit schnörkeliger Schrift die Worte „Johann Kattus“ und für einen kurzen Moment haben wir das Gefühl, als würde er uns gleich höchstpersönlich empfangen. Doch dann holt uns die strahlende Sophie Kattus, Johanns Ururenklin in der stylishen Kattus Lounge zurück in die Gegenwart. Hier sitzt man auf Designersesseln unter riesigen Blubberblasen, die sanft die Farbe wechseln und Sophie bietet uns den ersten Sprudel des Tages an. Kein schlechter Empfang.


 

Tradition und Innovation

Der Betrieb wurde 1857 von Johann Kattus gegründet und befindet sich als einziger seiner Branche noch immer in Familienbesitz. Damals kannte jeder Wiener das Haus im ersten Bezirk in Wien, Am Hof 8, und noch immer lieben die Wiener ihren Haus- und Hofsekt – nur inzwischen eben aus Döbling. Seit jeher vertrieb Kattus eine Vielzahl an „Upperclass-Produkten“ wie Wein, Kaffee, Tee, Südfrüchte, Spirituosen und Champagner, allerdings veränderte sich das Angebot stetig. Nur Wein und Schaumwein waren schon immer Fixpunkte. Und was passt hervorragend zu Sekt? Kaviar! Zu Kaisers Zeiten war Kattus der größte Kaviar Produzent weltweit und hatte seine eigene Produktion am kaspischen Meer. Der Chef servierte dem Kaiser jeden Sonntag höchstpersönlich eine Schale Kaviar nach Schönbrunn. Das Geschäft mit dem „Schwarzen Gold“ nahm jedoch mit der Oktoberrevolution 1917 ein abruptes Ende. Und als das Weingeschäft in den 60er Jahren nicht mehr so gut lief, wurde auf Schaumwein, also Sekt fokussiert.


Heute konzentriert sich das Geschäft vor allem auf Sekt und neue Marken wie Kattus Frizzante. Seit 2013 kümmert sich Sophie Kattus, mittlerweile in der fünften Generation, um das Marketing der Sektkellerei.



Führung durch die Sektkellerei

Kellermeister Herbert Pratsch beginnt seinen Arbeitstag täglich um 5.30 Uhr, indem er den Keller aufsperrt – lange abendliche „Verkostungen“ sind da also eher nicht drin. Trotzdem macht er seine Arbeit mit großer Freude, kümmert sich seit 38 Jahren um den Einkauf, die Entwicklung und Qualitätssicherung der Produkte. Bei Kattus kann er sich einbringen und unabhängig arbeiten, das ist ihm sehr wichtig und vermutlich einer der Gründe weswegen er mit so viel Liebe und Leidenschaft über „sein“ Unternehmen spricht. Nach einem ausführlichen Vorgespräch, dürfen wir die Kellerei betreten. Früher diente sie als Türkenschanz, heute wird das Gewölbe auch hin und wieder für Partys genutzt.

 
Die Basis des Sekt ist Wein – bei Kattus kommt dieser zu 100 Prozent aus Österreich, vorwiegend aus dem nordöstlichen Weinviertel. Die Flaschen werden eingelagert und gären bei 12 Grad Celcius. Die Lagerzeit beträgt 1,5 bis 3 Jahre bei Upperclass-Produkten.


 
Anders bei Frizzante, dieser wird in großen Tanks mit einer Füllmenge von 30.000 Flaschen gegärt. Kattus gärt zweifach, erklärt uns der stolze Kellermeister, und die Kohlensäure wird nicht, wie oft üblich, künstlich hinzugefügt. So bildet der Sekt im Glas ganz feine „Perlenschnüre“, ein Qualitätsmerkmal, das obendrein ziemlich gut ausschaut. Nach drei Wochen (bei Sekt sind es sechs Wochen) wird der Schaumwein bei -2 Grad Celcius abgefüllt. Sobald sich die Hefe abgesetzt hat, wird der Flaschenkopf schockgefrostet damit der eingefrorene Hefepropfen herausgeschleudert werden kann. Der Rest wird mit Likör aufgefüllt, die Menge bestimmt den Süßegrad des Getränks.


Inzwischen läuft der gesamte Abfüllprozess automatisch ab: 3.500 Flaschen in einer Stunde. Dafür werden nur drei Mitarbeiter benötigt. Herbert Pratsch erinnert sich noch daran, wie vor 40 Jahren 100 Angestellte mit diesem Prozess beschäftigt waren. Ein kleines Detail am Rande, und nein, wir wollen niemanden zum Einbruch motivieren, in Kattus Kellern lagern ständig rund eine Million Flaschen.

 
Bei der anschließenden Verkostung erzählt uns der Kellermeister, dass 60 Prozent der Konsumenten von Kattus Produkten weiblich sind. Wen wundert’s? Da eine Flöte trockener Sekt nur in etwa 100 Kalorien hat, verkosten wir gleich noch eine weitere Sorte. Wir einigen uns schnell auf unseren Lieblingssekt: Der Brokat Demi Sec gewinnt! Außerdem sieht die Flasche sehr edel aus.


Faktenblatt


Gründungsjahr: 1857
Anzahl gelagerter Sektflaschen: 1 Mio.
Unbedingt bei der nächsten WG-Party verkosten: Kattus Frizzante Almdudler.
Nächstes Familienausflugs-Ziel: Führung in der Sektkellerei mit anschließender Verkostung

 

Hier findest du den vierten Teil unserer Serie: Walter Weiss auf der Mariahilferstraße.

 

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