Moritz (32, links) sitzt auf dem alten Sofa und isst sein veganes Curry. Nach jedem zweiten Löffel gibt’s Komplimente an die Köchin. Nicht ungewöhnlich im Liebling. Den meisten schmeckt es hier. Nur Moritz' Lob zählt doppelt, denn der Chef ist kritisch: „Ich habe überall sehr gute Leute, die mich unterstützen, mein Aufwand hält sich in Grenzen. Aber wenn ich im Liebling vorbeischaue und das Licht zu hell ist, die Kerzen auf den Tischen nicht angezündet sind oder Samstagmorgen Jimmy Hendrix läuft, dann ärgere ich mich sehr. Die Atmosphäre ist einfach extrem wichtig.“
Bei useabrand entscheiden die Kunden, was produziert wird
Doch momentan passt alles und Moritz wirkt total entspannt, jung und überraschend normal. Nicht wie jemand, der schon zum Frühstück das erste Naserl Koks zieht, glaubt der Nabel der Kreativszene oder der Businessman des Jahres zu sein. Dabei hat er in den letzten vier Jahren gleich zwei Shops und zwei Lokale eröffnet und den siebten Bezirk tatsächlich ziemlich viel cooler gemacht. Kein Blog, der nicht über das Liebling, die Schadekgasse 12 oder die Burggasse24 schrieb und das ungewöhnliche Konzept von useabrand ist ausnahmsweise mal nicht aus London oder New York geklaut. Bevor er 2009 sein Modelabel gründete, bei dem die User ihre Entwürfe hochladen dürfen, um dann darüber abzustimmen, welcher Entwurf produziert und verkauft werden soll, war er freiberuflicher Fotograf, Skipper auf einem Segelschiff und Student an der Graphischen. Mit Marketing und Kostenrechnung hat er wenig am Hut: „Ich hab kein Problem Verantwortung abzugeben und arbeite mit Leuten zusammen, die aus der BWL Ecke kommen. Zu viel Marketing ist aber gar nicht unbedingt gut. Marketing heißt immer auch sich zu verstellen, dann wirkt ein Produkt immer irgendwie künstlich.“
In der Burggasse24 wird Vinatgemode wiederverwertet
Und künstlich taugt ihm gar nicht. Moritz Baier macht einfach das, was ihm gefällt, richtet seine Lokale so ein, wie er mag und verkauft Mode, die ihm am Herzen liegt. Keine Plastikflaschen, biologische Farben für die Kleidung und der Secondhandshop verwertet alte Kleidung, die jeder vorbeibringen darf, solange es ins Sortiment passt und nicht H&M oder Forever21 am Etikett steht. Das alle anderen das genauso super finden, scheint ein angenehmer Nebeneffekt zu sein. „Klar ist es schön, wenn die Leute mögen, was ich mache, aber im Liebling war es fast ein bisschen viel. Wenn zu viele Leute reservieren, finden die Stammkunden keinen Platz mehr. Es ist wichtig, dass die Leute aus der Umgebung regelmäßig herkommen und nicht jeder Hipster einmal vorbeischaut, nur um es gesehen zu haben, weil es gerade so angesagt ist.“
Das neue Lokal in der Schadekgasse 12 ist noch ein Geheimtipp
Die Schadekgasse 12 ist (noch) etwas unbekannter, wesentlich kleiner und intimer. Reservierungen gibt’s nicht. Eine Sommerlocation mit Schanigarten und heller Glasfront direkt neben dem Haus des Meeres. Außerdem soll in der Burggasse24 in Kürze ein kleines Café eröffnen. „Drei Lokale und zwei Shops reichen mir dann aber erst mal. Alle Locations sind extrem ausbaufähig. Außerdem zieht meine Freundin nach Berlin, dann werden wir mit Baby zwischen Wien und Berlin pendeln. Das wird anstrengend genug.“ Aber wir sind uns sicher, auch das wird er ganz gut managen.
Steckbrief
Das Beste an Wien ist das Grüne rundherum.
Am meisten an Wien nervt das Graue mittendrin.
Mein Lieblingsplatz in Wien ist an der Alten Donau, in den Parks und Schanigärten.
Mein Lieblingslokal ist der Indian Pavilion am Naschmarkt.
Mein Wiener Lieblingsdesigner ist Julian Cech.
Mein Lieblingsshop ist COS.
Mein Lieblingsclub ist die Grelle Forelle oder Pratersauna. Aber ich geh überhaupt eher selten in Clubs.
Einleitungs- und Headerbild: Miriam Kummer