Comics und Graphic Novels haben das Potential, Lesende schnell in ihren Bann zu ziehen. Im Speziellen Lesende, die noch wenig Erfahrung mit dem Medium mitbringen. Das mag an den vielfältigen Möglichkeiten liegen, die der Comic in sich vereint – einerseits szenischer, subtiler und leiser erzählen zu können als das in der Regel etwa in einem herkömmlichen Roman der Fall wäre. Gleichzeitig nicht von budgetären Beschränkungen oder künstlerischen Differenzen innerhalb eines mitunter riesigen Teams wie etwa bei einer Filmproduktion abhängig zu sein.

Zudem ist die Vielfalt an Werken eine gewaltige (wenngleich das Genre der Graphic Novel erst seit jüngerer Zeit zunehmend an breiterer Bekanntheit zu gewinnen scheint). Für positive Beispiele braucht man wiederum oft gar nicht lange zu suchen. Häufig reicht schon ein Blick in den nächstgelegenen feinen Comicladen. Oder in die Reihen der Erzählenden und Zeichnenden im eigenen Land. Wir präsentieren euch fünf Werke der österreichischen Comic-Szene, von denen ihr unbedingt mal gehört (oder eher gelesen) haben solltet.

 

Mafutofu – „Cutting The Stone“

Die Bevölkerung eines Königreichs wird von Albträumen geplagt. Zur Lösung des Problems wird ein junger Alchemist auf den Plan gerufen. In der Hoffnung, dem Mysterium auf den Grund zu gehen, begibt sich dieser an lang vergessene Orte und entfesselt letztlich Kräfte, die sich völlig seiner Kontrolle entziehen.

Der Autor Matthias Molzer alias Mafutofu besticht mit einer Welt voller fantasiereicher Gestalten und einer Geschichte gespickt mit Metaphern. Vor allem sind es sehr aktuelle Assoziationen, die hier aufkommen – etwa über gesellschaftliche Umwälzungen oder Machthaber, welche an alten Verhältnissen festhalten. Diese Konnotationen hindern Molzers Geschichte jedoch keineswegs daran, hie und da Ansätze von subtilem Humor aufblitzen zu lassen.

Generell wohnt dem Werk ein ganz wunderbarer Indie-Charme inne. Denn Molzer ist nicht nur Autor, Zeichner und Herausgeber seines Buchs, sondern experimentiert auch sehr gerne mit anderen Ausdrucksformen. So gibt es etwa Merch und sogar einen eigens komponierten Soundtrack zum Comic.

 

Franz Suess – „ORT (1000 %)“ und „ORT (IN ASPERN)“

Franz Suess ist sicherlich ein Künstler, dessen unverkennbarer Stil sofort ins Auge fällt. Er erschafft düstere Alltagsgeschichten, die im Gedächtnis bleiben. Als Einstieg in sein Werk eignet sich sicherlich gut die zweigeteilte Kurzgeschichte „ORT“.

Hier verfolgen wir den jungen Mann Michael, der sich in einem Wiener Cafe wiederfindet, wo er auf seine Verabredung Simon wartet.
Dabei vereinen diese dünnen Hefte bereits so vieles, was die Werke von Franz Suess ausmacht: Die grauen Schattierungen, welche Menschen manchmal eher wie vorüberhuschende Schatten erscheinen lassen. Die müden und betrübten Gesichtszüge seiner Figuren. Und der bewusst evozierte Ekel – sei es durch Kakerlaken in Aschenbechern oder Fliegen, die an Toilettenwänden entlang krabbeln – der das triste Realismus-Gefühl seiner Geschichten bloß noch stärker wirken lässt.
Erst kürzlich erschien übrigens mit „Diebe und Laien“ ein neues Werk des Wiener Comickünstlers – beim avant-verlag und sogar in Farbe!

 

Michael Hacker – „El Herpez“

Michael Hacker ist ein weiterer bekannter Name in der österreichischen Comic-Szene, der für sein Spiel mit Ekel bekannt ist. Und wo sollte dieser Aspekt präsenter sein als in seiner Reihe „El Herpez“?
Im Zentrum steht hier ein Gesundheitsinspektor, der sich inmitten seines ermüdenden Arbeitsalltags einer verstörenden Superkraft gewahr wird. Die Herpes-Bläschen auf seinen Lippen mutieren plötzlich zu riesigen fleischigen Tentakeln, welche sich ihren Gegnern vorzugsweise mit maximaler Brutalität annehmen. Da wird den Bösen auch schon gerne mal mit heißen Fritteusen das Gesicht malträtiert. Womit sich auch schon ganz gut die schwarze, derbe und sich mitunter stark an allerlei kreativen Wortwitzen ab(h)ackernde Humorebene veranschaulichen lässt, auf der sich der Künstler in seinen Comics bewegt. Diese mag sicherlich nicht allen schmecken, wenn euch jedoch der erste Gang mundet, dann werdet ihr wohl gar nicht mehr genug bekommen können. Na prost Mahlzeit!

 

ASH – Austrian Superheroes

Als Wiener Magazin kommen wir nicht drum herum, uns einem ganz besonderen Superheld*innen-Comic zu widmen. Bei ASH, den Austrian Superheroes, stehen Held*innen wie Captain Austria, das Donauweibchen, Lady Heumarkt und der Bürokrat (der aus seinen erhobenen Zeigefingern eine Art grauen Nebel emporsteigen lässt, for real.) im Zentrum des Geschehens. Hier lassen sich immerzu Wiener Schauplätze wiedererkennen, vom Karlsplatz bis zum Donaukanal. Die ASH-Comics sind aber nicht etwa als Parodie von DC und Marvel aufzufassen. Viel mehr handelt es sich um völlig ernstzunehmende und für sich stehende Geschichten, in welchen die Protagonist*innen den drohenden Gefahren mit einem genretypischen Maß an Lässigkeit und erhabenen Sprüchen begegnen.

 

Lukas Kummer – Die Autobiographie von Thomas Bernhard

Lukas Kummer hat in den letzten Jahren wahrlich seine Vielseitigkeit als Künstler unter Beweis gestellt. Mit „Prinz Gigahertz“ brachte er seine ganz persönliche High-Fantasy-Mischmasch-Vision aufs Papier. Unter dem Titel „Die Verwerfung“ erschuf er ein niederschmetterndes Antikriegswerk. Und nicht zuletzt nahm er sich der Bebilderung der Autobiographischen Schriften von Thomas Bernhard an. Sicherlich keine leichte Aufgabe. Doch Kummer schafft es, das Wesen von Bernhards einzigartiger Sprache in seinen Bildern aufzugreifen, indem er sich genau wie Bernhard, das Stilmittel der Wiederholung zu eigen macht und gezielt schmale Panels mit nur marginalen Veränderungen aneinanderreiht. Emotionale Anknüpfungspunkte wie die immerzu herrschende Angst vor dem nächsten Bombenangriff oder wie einen jungen, über den Suizid fantasierenden Bernhard in der Schuhkammer des NS-Internats weiß er hingegen mit großen, kraftvollen und einprägsamen Bildern zu versehen.

 

Noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk?

Wenn wir euch nun Appetit auf die hier vorgestellten Werke oder das Medium Comic im Allgemeinen machen konnten, dann seien euch folgend noch die passenden Anlaufstellen abseits der großen Versandhäuser auf den Weg gegeben:

Da wäre zum einen die Bilderbox im 7. Wiener Gemeindebezirk, die mit einem feinen Sortiment an Comics und Graphic Novels, besonderen Kinderbüchern, Artbooks und Graffiti-Utensilien aufwartet.

Bei Pictopia im 9. Wiener Gemeindebezirk findet ihr wiederum mit einer großen Auswahl an Austrocomics auch die in diesem Beitrag thematisierten kleineren Leseschätze vor.

 

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Freizeit, 30.11.22