Als Nichtraucherin habe ich ein extrem gespaltenes Verhältnis zur Rauchsituation in Wien: Einerseits hasse ich den Geruch von kaltem, abgestandenem Rauch, der einem nach nur zwei Bier in der Eckkneipe gefühlt noch wochenlang in den Haaren hängt – andererseits haben die Bars, in denen geraucht wird, eindeutig die geilere Atmosphäre: Dunkel, verraucht und zwielichtig sind es Orte, an denen Poesie geboren, Fremde geküsst und Sorgen im Qualm erstickt werden. Nicht abzustreiten, dass dem Ganzen eine Spur von Sadomasochismus anhaftet, aber saubere Luft und einen klaren Durchblick kann ich schließlich im Büro haben – in den Nebelschwaden der Nacht dagegen will ich mich verlieren können.
In meinem vorwiegend aus Rauchern bestehendem Freundeskreis war ich deshalb kurioserweise die Einzige, die mit großer Bestürzung auf das nahende Rauchverbot in Gaststätten reagierte. Denn nach langen Verhandlungen ist nun klar: Ab 1. November wird die Glut im „Aschenbecher Europas“, wie Wien oft genannt wird, endgültig zu Staub zerfallen. Bevor es so weit ist, empfehlen wir euch deshalb für eine Abschlussrunde die dunkelsten, verrauchtesten Bars der Stadt – die bestimmt auch noch fast genauso schön sind, wenn der Rauch sich lichtet. Aber eben nicht ganz.
Café Einhorn
Joanelligasse 7, 1060 Wien
Das Einhorn ist eine dieser Bars, in denen der Barkeeper mit großer Wahrscheinlichkeit betrunkener ist als du. Lange Zeit war das Einhorn, trotz oder vielleicht gerade wegen seines unschuldigen Namens legendär, weil man sich nirgends so gemütlich Heroin spritzen konnte. Zumindest sagt man das. Das Medellín Wiens ist es heute zwar nicht mehr, dafür immer noch ein herrlich schräges Paralleluniversum, das zum Genuss weicherer Drogen doch eher einlädt als abrät: Das Einhorn ist anarchistisch, schummrig, klebrig und voller verschrobener Gestalten – und natürlich wird pausenlos geraucht. Außerdem gibt es gute Musik und vakuumverpackte Erdnüsse.
Tabacchi
Ramperstorffergasse 61, 1050 Wien
Auf einer Liste mit den besten Raucherlokalen Wiens darf ein Ort, der Tabacchi heißt, natürlich nicht fehlen – der Name, der in Italien einen kleinen Tabakladen bezeichnet, ist hier Programm: In der kleinen, unaufgeregten Bar kann man ab 18 Uhr noch schnell einen Espresso zur Zigarette trinken, frische Snacks verkosten oder gleich zur Tagesordnung übergehen und dem breiten Angebot an Bier, Wein, Longdrinks und Cocktails frönen. Bei gedimmtem Licht kann man sich ganz auf das konzentrieren, was einen guten Abend ausmacht: Musik, Alkohol und viel Rauch. Ein nettes Gegenüber schadet natürlich auch nie – falls man es noch sieht.
Café Anzengruber
Schleifmühlgasse 19, 1040 Wien
Das Anzengruber ist eine Wiener Institution: Mit seinen Öffnungszeiten längst mehr Beisl als Kaffeehaus, hat es das Lokal geschafft, sich der Gentrifizierung zu widersetzen. Wie eh und je wird hier geraucht und gesoffen und das Schnitzel und das Gulasch gehören mal eben zum Besten, was man in der Stadt finden kann. Mit rauchvergilbten Stuckdecken, abgespeckten Möbeln und der leichten Fahne von Vergangenem wird eine gewisse Nachlässigkeit als Lebenseinstellung zelebriert: Ins Anzengruber kommt man, um zu bleiben.
Wunder-Bar
Schönlaterngasse 8, 1010 Wien
Recht versteckt ist dieses Ecklokal mitten in der Innenstadt: Wer sich in der kleinen, romantischen Schönlaterngasse verirrt, findet nur am Haus gegenüber ein Schild – der Komponist Robert Schumann hat während seiner Zeit in Wien nämlich in der Nummer 7a gewohnt –, die Wunder-Bar dagegen verzichtet darauf. Dabei macht sie ihrem Namen alle Ehre: Außen warten ein paar lauschige Tische, innen dunkle Holzstühle und Ledersofas, in den Ecken flüstern dunkle, nur von schwachen Lampen beleuchte Nischen, Rauchschwaden hängen in der Luft: einfach Wunder-bar!
Café Anno
Lerchenfelder Straße 132, 1080 Wien
Wenn es einen Ort in Wien gibt, an dem man sich vorstellen kann, dass hier Dalí, Picasso und Hemingway in den Zwanzigern zusammensaßen, rauchten, tranken und Kunst machten, dann wahrscheinlich im Anno: Die Bohème-Bar verströmt irgendwas zwischen verwahrlost und verrucht und ist ebenso dunkel wie verraucht – und außerdem sehr billig: Bier oder Pastis gibt es ab knapp über 2€. Außerdem gibt es gelegentlich unplugged Livemusik sowie ALSO, den Anno Literatursonntag, der mit Lesungen beweist, dass man hier nicht nur versucht, Künstlertreffpunkt zu sein.
Café Bendl
Landesgerichtsstraße 6, 1010 Wien
Das Geheimnis vom Bendl? Die drei Stufen, die man am Eingang hinabgeht: „Das ist wirklich der Gang ins Unterbewusste“, sagt Betreiber Jürgen Bauer. Es ist freudianisch zwielichtig und einzig die Jukebox leuchtet wie ein Ufo in den düsteren Raum hinein. Hier raucht man, trinkt ein Achterl nach dem anderen, wirft mit Bierdeckeln, schmiedet Pläne zur kommunistischen Revolution – und bestellt Koks: eine satanistische Dreifaltigkeit aus Kaffeebohnen, Würfelzucker und Schnaps. Auf die Frage „Warum?“ würde der Wiener nur sanft rülpsen und sagen: Weil man’s halt kann.
Café Monic
Gumpendorferstraße 69, 1060 Wien
Das Café Monic ist ein klassisches Tschocherl – nur so hip wie nie. Nach einem Generationenwechsel wird das Ecklokal nämlich von einem jungen Trio geführt, die glücklicherweise nur den gröbsten Grind entfernt haben und das Monic ansonsten so skurril wie damals gelassen haben: inklusive Pistazienautomat, schrägem Krempel in den Fenstern und Vorstadtweiber-verdächtigem Eierlikör im Waffelbecher. Essen gibt es zwar keins, dafür darf man sich Pizza einfach direkt ins Lokal bestellen. Und rauchen? Eh.
Café Zipp
Burggasse 66, 1070 Wien
„Wenn jeder Atemzug schwerfällt und man den soeben eingeatmeten Teer am besten mit einem eisgekühlten Stamperl Wodka runterspült, der Typ neben einem soeben Kopf auf der Bar liegend eingepennt ist und der DJ selbst zu seiner Musik Luftgitarre spielt, dann ist man definitiv im Zipp“ - so beschreibt es ein (Stamm?)-Gast auf dem Yelp. Wir finden: Schöner kann man es eigentlich nicht sagen.
Tanzcafé Jenseits
Nelkengasse 3, 1060 Wien
Wo könnte man sich am Ende einer Nacht besser verlieren, als in einer Einrichtung mit einem solchen Namen? Im Jenseits, das früher ein Bordell war, klebt noch der Hauch von Sünde an den mit rotem Brokat verhangenen Wänden – und der Zigarettenrauch steht mitten im Raum. Überhaupt wird nirgends so dem Glimmstängel gehuldigt wie hier: Neben der Getränke- wird eine eigene Zigarrenkarte gereicht. Bei ausgelassener Musik und süffiger Stimmung wird man derart ins Jenseits katapultiert, dass man ebenjenes selten vor Morgengrauen verlässt. Sollte man auch nicht; das Diesseits kann warten.