Fast schon kitschig: Die Geschichte von Ayat und Martina
Ayat und Martina sitzen nebeneinander auf der großen Couch und strahlen nicht nur fürs Foto um die Wette. Ayat erzählt von ihrem neuen Studium, ihrer Wohnungssuche und der Familie in Wels. Fehlt ihr ein Wort, hilft Martina aus. Die Radiomoderatorin ist eine gute Lehrerin und Ayat ist ehrgeizig. Alle vier Kurse des Vorstudiums Architektur absolviert sie in einem statt in den empfohlenen zwei Semestern, auch wenn sie sich vor allem mit Fachausdrücken wie „Beschleunigung“ noch schwer tut.
„Wenn ich in der Früh um sechs aufstehe, ist Ayat schon munter, verbringt den ganzen Tag auf der Uni und wenn sie am Abend zurückkommt, dann verschwindet sie sofort auf ihrem Zimmer und lernt die halbe Nacht“, berichtet Martina stolz auf ihre neue, fleißige Mitbewohnerin. Trotzdem scheinen die beiden noch Zeit zu finden, um sich kennenzulernen. Erst seit einem Monat wohnen sie gemeinsam in der schönen Altbauwohnung – wirken aber so vertraut wie langjährige Freundinnen. Als die beiden von ihrem Kennenlernen erzählen, wird es beinahe kitschig. Wie aus einen Werbevideo für Flüchtlingsintegration, nur dass hier alles echt ist.
Als Martinas Mitbewohnerin auszog, war ihr schnell klar: Ich nehme einen Flüchtling auf. Sie meldete sich bei der Organisation „Flüchtlinge Willkommen“ und sammelte im Freundeskreis Spenden für die Miete: „Alleine kann ich mir die Wohnung einfach nicht leisten, aber der Aufruf lief super, das erste halbe Jahr ist bereits bezahlt“, so Martina. Sie wollte lieber mit einer Frau zusammenwohnen, doch ihr war klar, dass das nicht einfach wird.
Einen Monat nach ihrer Anmeldung, bekam sie den Anruf: „Eine junge Frau aus dem Irak sucht eine Wohnung in Wien.“ Beim ersten Treffen wurde Ayat eingebläut, dass sie nicht zusagen müsse. Wenn sie sich nicht wohlfühle, dann würde man einfach weitersuchen. Doch das Gegenteil war der Fall: Für beide hat es vom ersten Augenblick an perfekt gepasst. Kurz darauf zog sie ein.
Vor drei Jahren sind Ayat, ihre Mutter und die zwei jüngeren Brüder aus dem Irak geflohen. Ayat, damals erst 17 Jahre alt, sprach als einzige englisch und managte die gefährliche Reise, stellte bei der Wiener Polizei den Asylantrag und kam nach wochenlangem Aufenthalt in Traiskirchen in ein oberösterreichisches Flüchtlingsheim. Dort lernte sie deutsch und holte zwei Schuljahre nach, damit ihre irakische Matura anerkannt wurde. Da Architektur in Linz nicht angeboten wird, musste sie sich schweren Herzens von ihrer Familie trennen. Wien war sofort ihre erste Wahl: Sie stammt aus Bagdad und liebt die Großstadt. Wien gefällt ihr gut, auch wenn sie bisher außer der TU und ihrer neuen Wohnung noch nicht viel gesehen hat. Das soll sich aber spätestens in den Semesterferien ändern. Dann, so hofft sie, ist auch endlich der Vater bei ihnen.
Flüchtlinge Willkommen Österreich
Das Projekt "Flüchtlinge Willkommen Österreich" startete Anfang des Jahres. Seit Februar 2015 wurden bereits 140 Zimmer für Flüchtlinge, deren Asylantrag angenommen wurde, gefunden.
Wenn du ein Zimmer in deiner WG oder deiner Wohnung verfügbar hast und gerne einen Flüchtling aufnehmen möchtest, kannst du dich ganz einfach über die Website Fluechtlinge-willkommen.at anmelden und einige Daten zu dir und deiner Wohnsituation angeben. Dein Ansprechpartner vor Ort stellt dann den Kontakt zu einem geflüchteten Menschen her. Nach einem ersten Kennenlernen können beide Seiten entscheiden, ob sie eine Wohngemeinschaft gründen möchten. Kannst du bzw. deine WG die Miete nicht selber tragen, dann hilft die Organisation bei der Finanzierung. Auch nach dem Zusammenziehen steht bei Problemen ein Ansprechpartner zur Verfügung.
So kannst du helfen
Du möchtest „Flüchtlinge Willkommen“ finanziell unterstützen? Die Crowdfunding-Plattform „Respekt.net“ startete in Kooperation mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) und dem Verein „Vielmehr für Alle!“ eine bundesweite Kampagne zur Privatunterbringung von 1.000 geflüchteter Menschen.
Bis März 2016 sollen 19.497 Euro gesammelt werden. Wenn du Martina und Ayat finanziell direkt unterstützen möchtest, dann melde dich bei uns unter
Hier geht’s zur Spendenaktion von Respekt.net.
Wenn du dich erst einmal über die private Unterbringung informieren möchtest, findest du auf Asylwohnung.at alle relevanten Informationen.